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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Wiesen, Gebüsch und Bäumen so schön umgeben, wie ich es sonst nie gesehen habe. Das Geld, das hier unnützerweise verbaut war, hätte die Familie allein wieder auf einen grünen Zweig bringen können, aber so kostete es ein Vermögen, um alles in Ordnung zu halten.
    Mr. Henry kam selbst zur Pforte, um mich willkommen zu heißen: ein großer, dunkelhaariger junger Herr (die Duries sind alle schwarzhaarig) von unbedeutendem und nicht sehr liebenswürdigem Gesichtsausdruck, von starkem Körperbau, aber keiner ebenso starken Gesundheit. Er nahm mich ohne Stolz bei der Hand und führte mich mit einfachen und freundlichen Reden ins Haus. Er leitete mich zur Halle in meinen Wanderstiefeln, um mich dem alten Lord vorzustellen. Es war noch hell, und das erste, was ich sah, war ein Stück durchsichtiges Glas inmitten des Familienwappens in dem bunten Fenster. Ich empfand das als eine Verunstaltung des Raumes, der sonst so hübsch war, mit seinen Familienbildern, der getäfelten Decke, den Leuchtern und dem geschnitzten Kamin, an dessen einer Eckeder alte Lord saß und in seinem Livius blätterte. Er war wie Mr. Henry, von demselben einfachen Benehmen, nur feiner und liebenswürdiger, und auch sein Gespräch war tausendmal unterhaltender. Er stellte mir, wie ich mich entsinne, viele Fragen, über das Kolleg in Edinburgh, wo ich gerade mein Examen bestanden hatte, und über die verschiedenen Professoren, die er mitsamt ihren Leistungen eingehend zu kennen schien. Da wir also über Dinge sprachen, von denen ich genau Bescheid wußte, vermochte ich in meiner neuen Umgebung bald frei zu reden.
    Mitten im Gespräch trat Mrs. Henry ein. Ihr Zustand war weit vorgeschritten, da die kleine Katharine in ungefähr sechs Wochen erwartet wurde, so daß ich von ihrer Schönheit auf den ersten Blick keinen starken Eindruck erhielt. Sie behandelte mich auch mit mehr Herablassung als die anderen, und so stellte ich sie an den dritten Platz in meiner Hochschätzung.
    Nicht lange dauerte es, bis alle Geschichten Patey Macmorlands mir unglaubwürdig erschienen und ich ein ergebener Diener des Hauses Durrisdeer wurde, was ich seither immer blieb. Vor allen liebte ich Mr. Henry. Mit ihm arbeitete ich und fand in ihm einen anspruchsvollen Herrn, der alle Freundlichkeit aufsparte für jene Stunden, in denen wir unbeschäftigt waren. Im Büro des Verwalters belud er mich nicht nur mit Arbeit, sondern beobachtete mich auch mit sonderbarem Mißtrauen. Schließlich blickte er eines Tages mit einer gewissen Scheu von seinen Papieren auf und sagte: »Mr. Mackellar, ich glaube, ich muß Ihnen sagen, daßich mit Ihnen sehr zufrieden bin.« Das war das erste Wort der Anerkennung. Von diesem Tage an war sein Mißtrauen gegenüber meiner Arbeit vermindert, und bald hieß es Mr. Mackellar hier und Mr. Mackellar dort bei der ganzen Familie. Ich habe auf Durrisdeer nun fast meine ganze Arbeit nach eigener Zeiteinteilung und nach eigenem Belieben erledigt ohne jemals wegen eines einzigen Pfennigs Differenzen zu bekommen. Selbst damals, als Mr. Henry mich noch antrieb, schlug mein Herz schon für ihn, allerdings teilweise aus Mitleid, denn er war ein unaussprechlich unglücklicher Mensch. Manchmal geriet er über den Ziffern in tiefes Nachdenken und starrte ins Buch oder aus dem Fenster, und der Ausdruck seines Gesichtes und die Seufzer, die er ausstieß, erregten in mir starke Neugier und Mitgefühl. Eines Tages waren wir im Verwaltungsbüro noch spätabends bei der Arbeit, wie ich mich entsinne. Dieser Raum liegt ganz oben im Hause und bietet einen Ausblick über die Bucht und eine kleine bewaldete Landzunge auf der langen Sandbank. In der untergehenden Sonne sahen wir die Schmuggler in großer Zahl mit ihren Pferden, wie sie am Strande hin und her eilten. Mr. Henry starrte nach Westen, und ich wunderte mich, daß er nicht von der Sonne geblendet wurde. Plötzlich runzelte er die Stirn, rieb sich die Brauen mit der Hand und wandte sich lächelnd mir zu.
    »Sie erraten nicht, woran ich dachte«, sagte er. »Ich dachte, wieviel glücklicher ich wäre, wenn ich mit diesen Verbrechern reiten und mein Leben aufs Spiel setzen könnte.«
    Ich antwortete ihm, daß ich schon bemerkt hätte, er sei in schlechter Laune; man habe ja die Gewohnheit, andere zu beneiden und sich einzubilden, ein Wechsel in der Lebensführung biete Vorteile. Dabei zitierte ich Horaz, wie ein junger Mann, der frisch von der Universität kommt.
    »Ja, so ist es«, sagte er, »und nun wollen wir
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