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Der Junge aus dem Meer - Roman

Der Junge aus dem Meer - Roman

Titel: Der Junge aus dem Meer - Roman
Autoren: Aufbau
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bedeutete das, wir kämen nach Selkie zurück.
    Ich würde Leo wiedersehen.
    Mehr als alles andere brachte mich diese Erkenntnis dazu aufzuspringen, um den Tisch herumzulaufen und meine Mutter zu umarmen. »Ich freue mich«, rief ich. »Ich freue mich, dass wir das Haus behalten.« Selbst die Tatsache, dass Mom dann wieder Zeit mit Mr. Illingworth verbringen würde, machte mir nichts aus. Wirklich nicht.
    Mom erwiderte meine Umarmung und drückte mich fest, fester, als sie es je getan hatte. Ich fragte mich, ob Mom wohl gerne die Zeit zurückgedreht und Isadora ebenso festin die Arme genommen hätte. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie einander, mit halb aufgegessenen Tellern von Low Country Boils im Hintergrund, nie umarmt hatten.
    »Das Haus muss allerdings noch an einigen Stellen auf Vordermann gebracht werden«, sagte Mom und entließ mich mit einem Klaps auf den Arm. »Wenn wir hier die Sommer verbringen, dann brauchen wir einen Internetanschluss. Und das Arbeitszimmer muss neu gestrichen werden. Aber es wird bestimmt nett. Ein neuer Anfang.«
    Ich nickte und lauschte dem Ozean, der gegen das Ufer rauschte und sich wieder zurückzog. Plötzlich dachte ich, wie sehr doch die Vergangenheit – nein, nicht nur Vergangenheit, sondern auch Geschichte und Familie den Gezeiten des Meeres ähnelten.
    Es war zwar immer derselbe Ozean, doch die Wellen ließen ihn jedes Mal neu und unverbraucht aussehen.
    ***
    Mom und ich verbrachten den Rest des Abends damit, die Sachen zusammenzupacken, die wir mit nach Selkie gebracht hatten. Allerdings gab es auch ein paar Ergänzungen. Als ich Mom Isadoras Koffer zeigte, traten ihr angesichts des Debütantinnenkleids und der Briefe wieder Tränen in die Augen. Sie entschied sich, alles einzupacken, und meinte, es wäre wohl am besten, wenn wir die Briefe zusammen und in aller Ruhe bei uns zu Hause in Riverdale durchgingen. Das Kleid, so sagte sie, könne sicher auch eine ordentliche Reinigung in der Stadt vertragen, genauso wie das, das ich letzte Nacht getragen hatte. Außerdem versicherte sie mir, dass ich gerne alle anderen Klamotten von Isadora probieren könne. »Ich wette, du siehst in dieser Art von Sachensehr hübsch aus«, sagte sie und sah mich liebevoll an. Ich fühlte mich geschmeichelt.
    Es gab ein weiteres Kleid, um das ich mich kümmern musste: Als der Abend hereinbrach, lief ich zu CeeCees Haus. Nach der intensiven Unterredung mit Mom konnte ich eine Dosis von CeeCees Leichtigkeit durchaus gebrauchen. Althea öffnete die Tür, sagte mir, dass CeeCee in ihrem Zimmer sei und dass die Coopers den ganzen Abend nicht zu Hause verbrachten. Jacqueline, so informierte mich Althea und winkte mich nach oben durch, sei mit einem jungen Mann ausgegangen – Macon, wie ich vermutete.
    Ich klopfte an CeeCees Tür, doch da sie mich wegen der dröhnenden Musik anscheinend nicht gehört hatte, drehte ich vorsichtig den Türknauf herum und hoffte, keine Grenzen zu überschreiten.
    »Bist du angezogen?«, fragte ich und tat so, als hielte ich mir die Hand vor Augen.
    »Du meine Güte!«, kreischte CeeCee und wandte sich wirbelnd von ihrem Spiegel ab. »Miranda! Komm bloß nicht rein!«
    Sie trug ein kurzes, gekräuseltes Nachthemd und sah eigentlich ganz normal aus – bis ich bemerkte, dass sie einen Streifen weißes Papier am Kinn kleben hatte. Ich sah zu ihrer Frisierkommode und begutachtete die dort liegende kleine Tube Heißwachs und den Zungenspatel.
    »Ich … ich bekomme manchmal diese kleinen Haare am Kinn«, erklärte CeeCee unnötigerweise und ihr Gesicht lief rot an. »Ich wollte es eigentlich lasern lassen, aber … ich … hätte wohl die Tür abschließen sollen.« Ihre Hände zitterten, als sie den Papierstreifen ruckartig von ihrem Kinn abzog.
    »Schon in Ordnung, CeeCee.« Ich biss mir auf die Lippe,um aufgrund ihrer dramatischen Reaktion nicht loszukichern. »Keine große Sache.«
    »Miranda, du darfst es niemandem erzählen«, sagte CeeCee grimmig und knallte die Tür zu, während ich ihr Kleid und ihr Armband aufs Bett legte. »Das würde mich ruinieren.«
    Ich drehte mich zu ihr. Sie hatte einen entzündeten roten Fleck am Kinn, und ihre Augen waren voller Scham. »Wovon redest du bloß?«, fragte ich und schüttelte den Kopf. »Du bist nicht das erste Mädchen, dass sich das Kinn wachsen muss. Ich schätze, es ist sehr verbreitet.«
    »Es ist be-be-schämend«, stotterte CeeCee. »Das ist ein Problem, das ich … Ich hab’s von der väterlichen Seite meiner
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