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Der Janusmann

Der Janusmann

Titel: Der Janusmann
Autoren: Lee Child
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dankbar sein. Ich meine, ich bin Ihnen dankbar. Das müssen Sie mir glauben. Sie haben meinen Arsch gerettet. Das mit dem Cop war ein Unfall, stimmt’s? Nur ein Unfall. Sie hatten Pech, standen unter Druck. Das kann ich verstehen. Wir halten die Sache geheim.«
    »Ich brauche Ihre Hilfe nicht«, entgegnete ich. »Ich möchte Sie nur loswerden.«
    »Aber ich muss nach Hause«, sagte er. »Wir würden uns gegenseitig helfen.«
    Noch vier Minuten bis zum Highway.
    »Wo sind Sie zu Hause?«, fragte ich.
    »Abbot«, antwortete er.
    »Abbot was?«
    »Abbot, Maine. An der Küste. Zwischen Kennebunkport und Portland.«
    »Dann fahren wir in die falsche Richtung.«
    »Sie können auf dem Highway nach Norden abbiegen.«
    »Das müssen zweihundert Meilen sein, mindestens.«
    »Wir geben Ihnen Geld. Es soll Ihr Schaden nicht sein.«
    »Ich könnte Sie bei Boston absetzen«, schlug ich vor. »Es muss einen Bus nach Portland geben.«
    Er schüttelte heftig, fast panisch den Kopf.
    »Ausgeschlossen«, sagte er. »Ich kann keinen Bus nehmen. Ich darf nicht allein sein. Nicht jetzt. Ich brauche Schutz. Diese Kerle können noch irgendwo lauern.«
    »Diese Kerle sind tot«, entgegnete ich. »Wie dieser verdammte Cop.«
    »Sie können Komplizen haben.«
    Wieder so ein seltsamer Ausdruck. Er sah klein, dünn und ängstlich aus. Er nahm beide Hände, um sein Haar zusammenzufassen, und drehte den Kopf so, dass ich sein linkes Ohr sehen konnte. Es war nicht da. An seiner Stelle befand sich ein Klumpen hartes Narbengewebe, das wie ungekochte Pasta aussah.
    »Sie haben’s abgeschnitten und mit der Post geschickt«, erklärte er. »Beim ersten Mal.«
    »Wann?«
    »Ich war fünfzehn.«
    »Ihr Dad hat nicht gezahlt?«
    »Nicht schnell genug.«
    Ich sagte nichts. Richard Beck saß einfach nur da, zeigte mir seine Narbe, war ängstlich und schnaufte wie eine Dampfmaschine.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, erkundigte ich mich.
    »Bringen Sie mich nach Hause«, bat er eindringlich.
    »Ich will jetzt nicht allein sein.«
    Noch zwei Minuten bis zum Highway.
    »Bitte«, sagte er. »Helfen Sie mir.«
    »Scheiße«, sagte ich.
    »Bitte. Wir können einander helfen. Sie müssen sich verstecken.«
    »Diese Kiste können wir nicht behalten«, sagte ich. »Wir müssen damit rechnen, dass ihre Beschreibung im ganzen Staat über Funk verbreitet wird.«
    Er starrte mich voller Hoffnung an. Bis zum Highway war es noch eine Minute.
    »Wir müssen uns einen anderen Wagen beschaffen«, sagte ich.
    »Wo?«
    »Irgendwo. Autos stehen überall herum.«
    Südwestlich des Highwaykreuzes befand sich ein großes Einkaufszentrum auf der grünen Wiese. Ich konnte es bereits sehen. Es bestand aus riesigen beigefarbenen Gebäuden – ohne Fenster, aber mit hellen Leuchtreklamen. Dazu gehörten riesige Parkplätze, die ungefähr zur Hälfte besetzt waren. Ich bog ab und drehte langsam eine Runde. Das Einkaufszentrum hatte die Größe einer Kleinstadt. Überall liefen Leute herum. Sie machten mich nervös. Ich bog erneut ab und fuhr an einer Reihe von Müllcontainern vorbei zur Rückseite eines großen Kaufhauses.
    »Wohin wollen wir?«, fragte Richard.
    »Personalparkplatz«, antwortete ich. »Kunden kommen und gehen den ganzen Tag. Unberechenbar. Aber das Personal ist bis Ladenschluss drinnen. Sicherer.«
    Er starrte mich an, als kapierte er das nicht. Ich hielt auf eine Reihe von acht oder neun Wagen zu, die an einer kahlen Mauer eingeparkt standen. Neben einem zirka drei Jahre alten Nissan Maxima in glanzlosem Blau war eine Parklücke frei. Der Nissan würde genügen. Er schien mir ein ziemlich anonymes Fahrzeug zu sein. Der Parkplatz war abgelegen, still und einsam. Ich stieß rückwärts in die Parklücke, bis die Hecktüren fast die Mauer berührten.
    »Müssen das kaputte Fenster verstecken«, erklärte ich.
    Der Junge sagte nichts. Ich schob die beiden leeren Colts in meine Manteltaschen und stieg aus. Rüttelte an den Türen des Maximas.
    »Suchen Sie mir einen Draht«, sagte ich. »Ein Stück starkes Elektrokabel oder einen Kleiderbügel.«
    »Sie wollen diesen Wagen stehlen?«
    Ich nickte.
    »Ist das clever?«
    »Wenn Sie versehentlich einen Cop erschossen hätten, würden Sie’s jedenfalls clever finden.«
    Der Junge sah mich einen Augenblick verständnislos an, dann raffte er sich auf und begann herumzusuchen. Ich entlud die Anacondas und warf die zwölf leeren Patronenhülsen in einen Müllbehälter. Der Junge kam mit einem fast einen Meter langen Stück
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