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Der italienische Geliebte (German Edition)

Der italienische Geliebte (German Edition)

Titel: Der italienische Geliebte (German Edition)
Autoren: Judith Lennox
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hielten sich im Museum auf. Langsam ging sie von einem Ausstellungsstück zum anderen und blieb dann plötzlich stehen. Auf einem bemalten Holzschrank kniete ein Engel vor Maria. Der Engel hatte gelbes Haar und trug ein braunes, rosa schimmerndes Gewand. Er hatte prachtvolle vielfarbige Flügel, die mit Streifen in Gelb, Kobaltblau, Schwarz und Rot geziert waren, und, nur auf einem ausgebreiteten Flügel sichtbar, mit einem blauen Auge wie auf einer Pfauenfeder. Rebecca Rycrofts Engel mit seiner Schirmmütze und dem Tornister war ein sehr englischer Engel gewesen. Dieser hier, dachte Freddie, mit seinem vielfarbigen Flügeln und den goldenen Haaren, war ein italienischer Engel.  
    Als sie aus dem Kloster herauskam, ging sie zum Postamt und bestellte eine internationale Telefonverbindung. Am Nachmittag machte sie ihren Anruf. Sie wartete in der Zelle, während sie mit der internationalen Vermittlung verbunden wurde, die sie wiederum mit London verband, von wo aus endlich die Verbindung mit der Nummer von Lewis und Marcelle in Chelsea hergestellt wurde. Marcelle meldete sich. Nach einem frostigen Austausch höflicher Floskeln bat Freddie sie um Jacks Adresse und Telefonnummer in Rom. Es blieb einen Moment still, als dächte Marcelle ernstlich daran, ihr diese Auskunft zu verweigern.  
    Aber dann sagte sie: »Ja, natürlich«, und las ihr die Angaben vor.  
    Freddie dankte ihr, verabschiedete sich und rief die Nummer in Rom an.  
    Freddie saß in dem kleinen Straßencafé.  
    Auf der Piazza marschierte ein halbes Dutzend schwarz gekleideter Priester auf den Dom zu. Ein Pärchen schlenderte Arm in Arm durch die Menschenmenge. Ein Kind rannte einem roten Ballon hinterher, und eine Schar Tauben erhob sich flatternd in die Luft. Ein Tourist richtete seinen Fotoapparat auf das Baptisterium und knipste.  
    Sie sah ihn aus der Ferne, klein zu Füßen des gewaltigen Dombaus. Helle Jacke und Hose, dunkelblaues Hemd, das Sonnenlicht auf dem hellen Haar. War er es wirklich? Sie konnte es nicht gleich erkennen. Sie stand auf, um besser sehen zu können. Ja, er war es – ganz bestimmt, er war es – ihr Herz öffnete sich weit.  
    Jetzt hatte Jack sie bemerkt. Er hob grüßend die Hand.  
    Sie ging ihm über den Platz entgegen.  
       

Meine Recherche-Reise nach Italien
     
    Das erste Mal war ich vor mehr als zwanzig Jahren in Florenz. Ich reiste damals mit meiner Freundin Rosie, Lehrerin an einer Mädchenschule, während mein Mann sich zu Hause um unsere drei Söhne kümmerte. Eine Gruppe von Schülerinnen aus Rosies Schule besuchte die Stadt im Rahmen ihres Kunstgeschichteunterrichts, und Rosie und ich begleiteten sie. Schon auf der Zugfahrt von Pisa nach Florenz meinten wir in den Gesichtern der jungen Männer, hauptsächlich Fußballfans, die mit uns im Waggon reisten, die Züge von Medici-Fürsten zu erkennen. Und in Florenz selbst war überall, wohin man auch blickte, Wunderbares zu sehen – in den Museen und Kunstgalerien natürlich, aber auch auf den Straßen: ein gemeißeltes Wappenschild hoch oben an der Mauer eines Palazzo; ein gewaltiges Holztor mit einem Messingklopfer in Form eines Löwenköpfchens oder, in der Loggia auf der Piazza della Signoria, Perseus, die Finger tief ins Schlangenhaar der enthaupteten Medusa gegraben. Ich erinnere mich, dass ich völlig überwältigt und zugleich erschlagen war – was auch an den endlosen Wegen liegen kann, die Rosie und ich in der Hitze zurücklegten, weil wir unbedingt alles sehen wollten.  
    Anfang März 2010 kehrte ich nach Florenz zurück, diesmal zusammen mit meinem Mann. Wir reisten mit der Bahn: mit dem Eurostar von London nach Paris, dem TGV von Paris nach Zürich, über die Alpen nach Mailand und schließlich von Mailand nach Florenz. Wir bewohnten eine kleine Wohnung in einem Palazzo in der Via Ricasoli gegenüber der Accademia, in der Michelangelos David steht. Die Stadt übte erneut ihren Zauber aus: Da waren sie wieder, die jungen Männer mit Gesichtern, die wie aus dem fünfzehnten Jahrhundert zu stammen schienen, in Jeans und Lederjacken, und rundherum Geschichte pur. Ich war nach Florenz gekommen, um für meinen Roman zu recherchieren, um Orte für die Wohnungen meiner Figuren und ihre Begegnungen zu finden und um mir die Geografie der Stadt und ihres Umlands zu vergegenwärtigen. Wir erkundeten die Straßen und Plätze; gingen über den Ponte Vecchio zu den Boboli-Gärten hinter dem Palazzo Pitti, wo Tessa, eine meiner Figuren, nach vielen
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