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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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der General im Tone fester Überzeugung. »Was ist das bei dir für eine seltsame Gedankenverbindung! Sie sollte eine solche Anspielung machen ... und dabei ist sie überhaupt ganz und gar nicht eigennützig. Außerdem, was könntest du ihr schenken? Dazu gehören ja doch Tausende! Etwa dein Bild? Hat sie dich übrigens noch nicht um dein Bild gebeten?«
    »Nein, das hat sie noch nicht getan, und sie wird es auch vielleicht nie tun. Sie denken doch gewiß an die heutige Abendgesellschaft, Iwan Fjodorowitsch? Sie haben doch gewiß auch eine ausdrückliche Einladung erhalten?«
    »Gewiß, ich denke daran, gewiß, und werde hingehen. Selbstverständlich! Ihr Geburtstag, an dem sie fünfundzwanzig Jahre alt wird! Hm ... Aber weißt du, Ganja, ich will es dir in Gottes Namen verraten. Bereite dich vor! Sie hat mir und Afanassij Iwanowitsch versprochen, sie werde heute abend bei sich zu Hause das letzte Wort sagen: Sein oder Nichtsein. Also mache dich darauf gefaßt, weißt du!«
    Ganja geriet auf einmal in eine solche Bestürzung, daß er sogar ein wenig blaß wurde.
    »Hat sie das wirklich gesagt?« fragte er, und es war, als zittere ihm die Stimme.
    »Vorgestern hat sie uns ihr Wort gegeben. Wir haben sie beide so in die Enge getrieben, daß sie nicht anders konnte. Nur bat sie uns, dir vorher nichts davon zu verraten.«
    Der General blickte Ganja forschend ins Gesicht; Ganjas Bestürzung mißfiel ihm offenbar.
    »Halten Sie sich gegenwärtig, Iwan Fjodorowitsch«, sagte Ganja in aufgeregtem, unsicherem Ton, »daß sie mir ja für meine Entschließung volle Freiheit gelassen hat bis zu dem Augenblick, wo sie selbst sich entschieden haben wird, und auch dann habe ich immer noch freie Hand, mein Wort ...«
    »Also willst du vielleicht ... also willst du vielleicht ...«, unterbrach ihn der General erschrocken.
    »Ich habe nichts gesagt.«
    »Aber ich bitte dich, was willst du uns antun?«
    »Ich weigere mich ja nicht. Ich habe mich vielleicht nicht richtig ausgedrückt ...«
    »Das fehlte auch noch, daß du dich weigertest!« rief der General unwillig, ohne seinen Ärger verbergen zu wollen. »Lieber Freund, was du jetzt zu tun hast, ist nicht etwa, dich ›nicht zu weigern‹, sondern bereitwillig, mit Vergnügen, mit Freude ihr Jawort zu empfangen ... Wie steht es denn bei dir zu Hause?«
    »Bei mir zu Hause? Bei mir zu Hause geht alles nach meinem Willen. Nur mein Vater treibt seine Dummheiten wie sonst, er ist jetzt schon ein ganz verkommener Mensch; ich rede mit ihm gar nicht mehr; aber ich halte ihn im Zaum und würde ihm, wenn nicht die Mutter wäre, weiß Gott die Tür weisen. Die Mutter weint natürlich fortwährend, und die Schwester bost sich, aber ich habe ihnen schließlich klipp und klar gesagt, daß ich mein Schicksal selbst zu bestimmen habe und im Hause meine ... Anordnungen befolgt zu sehen wünsche. Meiner Schwester wenigstens habe ich das in Gegenwart der Mutter mit aller Deutlichkeit gesagt.«
    »Recht klug werde ich aus der Sache immer noch nicht, lieber Freund«, bemerkte der General nachdenklich, wobei er die Schultern etwas in die Höhe zog und die Arme ein wenig ausbreitete. »Nina Alexandrowna hat mir noch neulich, als sie mich besuchen kam (du erinnerst dich wohl?), etwas vorgestöhnt und vorgejammert: ›Was haben Sie denn eigentlich?‹ fragte ich sie. Schließlich kam es heraus, daß sie darin eine Art Entehrung sehen. Nun möchte ich bloß wissen, was darin für eine Entehrung liegen soll! Wer kann Nastasja Filippowna irgendeinen Vorwurf machen oder ihr irgend etwas Schlechtes nachsagen? Etwa, daß sie mit Tozkij ein Verhältnis gehabt hat? Aber das ist ja doch lauter dummes Zeug, namentlich in Anbetracht gewisser Umstände! ›Sie werden sie doch auch nicht mit Ihren Töchtern verkehren lassen‹, sagte sie. Na, so was! Ei, ei, Nina Alexandrowna! Das ist ja doch eine arge Verkennung ... eine arge Verkennung ...«
    »Der eigenen Stellung«, ergänzte Ganja den Satz des Generals, der nach einem Ausdruck suchte. »Aber sie versteht ihre Stellung; seien Sie ihr nicht böse! Ich habe ihnen übrigens damals gehörig den Kopf gewaschen, damit sie sich nicht wieder in fremde Angelegenheiten einmischen. Und doch bleibt bisher bei uns zu Hause alles nur deswegen im Geleise, weil das letzte Wort noch nicht gesprochen ist; aber das Gewitter rückt heran. Wenn heute das letzte Wort gesprochen wird, dann ist damit alles entschieden.«
    Der Fürst, der in einer Ecke bei seiner kalligraphischen
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