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Der Himmel über New York (German Edition)

Der Himmel über New York (German Edition)

Titel: Der Himmel über New York (German Edition)
Autoren: Verena Carl
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Endlosschleife um ihre Zukunft als Star. Fast beneide ich sie darum, wie genau sie weiß, was sie will. Wie sicher sie ist. Mit dieser Einstellung kann eigentlich gar nichts mehr schiefgehen. So sagen es ja auch immer diese Typen im Fernsehen, wenn wieder jemand vor ihnen steht, der modeln will oder singen oder auf einem Kamm blasen. Tatsache ist, ich stehe hier gerade an einer vergammelten Hauswand neben der nächsten Madonna.
    Conny glaubt fest daran. In einem Haus auf der Upper East Side in Manhattan wird sie leben, mit einem Portier im roten Frack und Schirmmütze am Empfang. Oder in einer Villa in Beverly Hills, auf deren goldenem Klingelschild kein Name steht. Weil sonst die Fans Tag und Nacht vor ihrer Tür lauern.
    Wenn ich auch nur den leisesten Zweifel daran habe, ich werde den Teufel tun, ihr das zu sagen. Schließlich brauche ich dringend eine Freundin. Eine, die mir die Stadt und die coolen Plätze zeigt.
    »Wenn du mal ausgehst«, unterbreche ich Conny, »würdest du mich mitnehmen?«
    Sie haucht einen blauen Faden aus. »In drei Tagen ist Freitag. Kannst du Salsa tanzen?«

4.

    M it Conny eine Tasse Spülwasserkaffee in der Küche trinken : 15 Minuten . Im pakistanischen Laden nebenan Plastiktaschen durchwühlen : 10 Minuten. Im Internetcafé auf der Website von »Time Out« nachlesen, auf welchen tollen Konzerten man heute Abend sein könnte, wenn man nur einen hätte, der mit einem hinginge : 5 Minuten.
    Die Zeit kommt nicht vom Fleck. Der Sekundenzeiger der Wanduhr quält sich im Kreis. Sogar das Fernsehprogramm und die Werbeclips mit glücklichen Familien beim Rasenmähen und Pizzabestellen kann ich schon auswendig. Seit drei Tagen bin ich in New York und ich habe mich lange nicht mehr so gelangweilt.
    Vielleicht war die Idee meines Vaters doch nicht so gut. Vielleicht hätte ich mich lieber nach einem Sprachkurs umschauen sollen, einem Sommerferienprogramm an der New Yorker Uni, oder wer weiß, vielleicht gibt es sogar Schauspielseminare für Ausländer. Auf jeden Fall etwas, das mich den Tag über beschäftigt, etwas, wobei ich andere Leute kennenlernen kann. Wenn es nicht wenigstens Conny gäbe, ich wäre verloren.
    Anne gibt sich große Mühe. Jederzeit kann ich ihr Telefon benutzen, meine Eltern oder Max anrufen, damit sich meine Handyrechnung in Grenzen hält. Oder mich in der Kühlkammer des Diners bedienen, wenn ich Hunger habe. Gestern hat sie sich den Nachmittag freigenommen und hat mir das Museum of Modern Art in Manhattan gezeigt. Vor einem Bild in Gelb, Rot und Blau blieb sie stehen. »Schau mal, ist das nicht toll? Das heißt Broadway Boogie Woogie . Ein Bild wie ein Musikstück.«
    Mich erinnerte das Gemälde bloß an die bunten Kästchen, die wir in der Grundschule in unsere Mathe-Hefte zeichnen mussten. Aber Anne sah mich so erwartungsvoll an, dass ich etwas Zustimmendes murmelte.
    Andere Bilder gefielen mir besser. Vor allem eines mit menschenleeren Arkaden, langen Schatten, einem Zug mit Dampflokomotive in der Ferne. Ich dachte, das ist ein bisschen so, wie von zu Hause wegzugehen: spätnachmittags einen Zug nehmen, der aus dem Rahmen herausfährt. Als ich etwas in der Art zu Anne sagte, war sie ganz begeistert. »Schreibst du Gedichte? Solltest du unbedingt tun! Daheim habe ich einen Band mit Texten über New York, den leihe ich dir mal aus.«
    Dabei fiel mir ein, dass ich am ersten Abend in New York zwei Zeilen in mein Notizbuch geschrieben hatte, die tatsächlich klangen wie der Anfang eines Gedichtes :

    Wenn du mich willst
    Trag Backstein und nichts drunter

    Manchmal finde ich Anne fast widerwillig nett. Meistens geht sie mir auf die Nerven. Sie sieht es auch nicht gern, wenn ich tagsüber alleine auf Entdeckungstour gehe. Immer will sie genau wissen, wo ich bin, wann ich wiederkomme, bietet mir an, mich zu begleiten. Richtig glücklich bin ich auf meinen Solostreifzügen aber auch nicht.
    Es ist nicht die Stadt, die mich enttäuscht, im Gegenteil. Manhattan ist ein Bilderrausch, der mich fast erschlägt. Hochhäuser in allen erdenklichen Erdfarben, die wie große Tiere über baumgesäumten Plätzen thronen, dampfende Fontänen aus den Gullys, Filmplakate von der Größe einer Zweizimmerwohnung: Das echte Manhattan ist noch viel besser als das im Kino. Fast bin ich erstaunt, dass sich wirkliche Menschen in den Kulissen bewegen. Asiatinnen in Turnschuhen und Kostümröcken, die Pappbecher mit Kaffee spazieren tragen. Eine Truppe von Schwarzen, die Gospels in der U-Bahn
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