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Der Himmel über New York (German Edition)

Der Himmel über New York (German Edition)

Titel: Der Himmel über New York (German Edition)
Autoren: Verena Carl
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aber sicher ist sicher.«
    »Was willst du denn machen? Singen? Tanzen?«
    »Beides.«
    »Das ist ja witzig«, sage ich, »ich will vielleicht auch zum Theater. Als Schauspielerin.«
    »Ans Theater? Sein, Nichtsein und so?« Sie mustert mich und wiegt zweifelnd den Kopf. »So was gucken sich doch nur alte Säcke an. Nicht so mein Ding. Willst du wissen, was das ist, mein Ding?«
    Sie wirft sich in Pose und stimmt einen Refrain auf Spanisch an. Ich kenne das Lied nicht, aber es hört sich nicht übel an. Als hätten Shakira und ein kolumbianischer Rapper sich zusammengetan. Mitten im Takt hält sie inne, wischt sich einen Rest Spülmittelschaum von der rechten Manschette am Oberschenkel ab. Dann sieht sie mich prüfend an.
    »Was ich eben gesagt hab, also, nimm das nicht persönlich. Vielleicht ist das ja bei euch in Deutschland anders, vielleicht ist Theater da viel cooler.«
    Ich winke ab. »Kein Problem, es muss ja nicht jeder das Gleiche mögen.« Ich werde jetzt nicht so blöd sein und es mir mit dem ersten Mädchen verderben, das ich in New York kennenlerne.
    Conny zeigt grinsend Zähne und beginnt in einer Tasche zu kramen, die auf dem Tresen liegt.
    »Feierabend. Gleich kommt das Mädchen für die Abendschicht. Ich geh noch eine rauchen, kommst du mit raus?«
    »Klar. Wenn du auch eine für mich hast?«
    Ich rauche eigentlich nicht besonders gerne, aber manchmal ist es ganz praktisch. Vor allem, wenn man mit anderen Leuten ins Gespräch kommen möchte, die es tun.
    Sie nickt, steckt sich zwei Zigaretten aus der Packung hinter die Ohren und betrachtet sich feixend in dem großen Spiegel über dem Tresen.
    »Bei euch in Europa darf man doch auch drinnen rauchen, oder? Sogar in Restaurants?«
    »Lange vorbei. Schon seit ein paar Jahren nicht mehr.«
    Conny gibt der Schwingtür einen gut gelaunten Schubs und tritt auf die Straße hinaus, ich direkt hinterher.
    »Hat ja auch was Gutes mit dem Verbot«, sagt sie und zupft die Zigaretten wieder hinter den Ohren hervor, »beim Rauchen lernt man tolle Leute kennen, weil sich alle auf der Straße treffen. Alleine deswegen lohnt es sich, obwohl die blöden Kippen ein Vermögen kosten. Aber das hat man dann leicht wieder drin, mit Essenseinladungen und so. Kennst du ja sicher.«
    »Essenseinladungen?« Ich habe keinen Schimmer, wovon Conny spricht.
    »Na, ist doch klar«, sagt sie, »Kerle. Ich hab im Frühjahr einen Job als Sekretärin in Manhattan gehabt. In einem Büroturm mit 23 Stockwerken. Am zweiten Tag in der Mittagspause kommt ’n Typ auf mich zu und bittet mich um Feuer. So ein geschniegelter, mit Maßanzug und Gucci-Parfüm. Und dann stellt sich raus, der ist der Chef von ’ner Werbeagentur. Drei Tage später führt er mich zum Abendessen aus. In so ’n Restaurant mit Stoffservietten und Silberbesteck. Wahnsinnsmann! Leider verheiratet. Obwohl … wen kümmert’s?«
    Sie lacht, legt dabei den Kopf schief und zieht die Nase kraus. Dann reicht sie mir feierlich eine ihrer Marlboros.
    Eine halbe Stunde und drei Zigaretten später weiß ich alles über Conny. Dass ihre Großeltern aus Puerto Rico eingewandert sind. Dass Connys Verlobter Antonio ein bisschen langweilig ist, aber einen guten Job hat. Außerdem weiß ich jetzt alles über die heißeste Latino-Newcomerin der Saison. Das ist die, die sich anhört wie eine spanisch rappende Shakira. Wenn ich Conny richtig verstanden habe, ist die Sängerin die Gewinnerin von American Idol , und American Idol ist so etwas wie Deutschland sucht den Superstar auf Amerikanisch. Keine Ahnung, ob die nun ein echter Superstar ist, aber wenn Conny über sie spricht, wird sie ganz zappelig vor Bewunderung.
    »Sie hat das ganz allein geschafft!«, betont Conny. »Ohne Vater mit fetter Kohle oder dass sie mit ’nem Produzenten ins Bett gestiegen wär. Einfach, weil sie ehrgeizig war und unbedingt ganz nach oben wollte! Mit einer Stimme wie von einem Engel. Zwei in der Jury haben geweint! Schon bei ihrem ersten Auftritt! Hab ich genau gesehen!«
    Wir stehen nebeneinander an der Hauswand und blasen blaue Ringe in den Himmel. Es ist noch immer heiß draußen. Das Filterpapier klebt bei jedem Zug an den Lippen fest.
    Alle zehn Minuten kontrolliert Conny ihr Make-up in einem hellblauen Taschenspiegel. Dabei hört sie weder auf zu rauchen noch zu reden. An ein paar Stellen bin ich nicht sicher, ob sie englisch oder spanisch spricht, aber es ist so viel, dass ich den Zusammenhang zum Schluss mitbekomme. Ihre Worte kreisen in einer
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