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Der Himmel kann noch warten

Der Himmel kann noch warten

Titel: Der Himmel kann noch warten
Autoren: Gideon Samson
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mir nicht so sicher«, sagt Papa.
    Ich zwinkere ihm zu. Er versucht, mein Zwinkern zu erwidern. Aber Papa kann nicht zwinkern.
    »Wie hast du denn früher mit Mädchen geflirtet«, frage ich, »wenn du noch nicht mal mit den Augen zwinkern kannst?«
    Papa antwortet mit einem Schulterzucken.
    »Es waren dein Schnäuzer und dein Bart, was?«
    »Ich denke schon«, sagt Papa.
    »Und jetzt geh und hol deine Renate.«
    »Echt?«
    »Ja, und zwar schnell.«
    Papa steht auf. Er rennt zu Renate wie ein Hund zu seinem Stock.

    Eine Erinnerung.
    Ich war sieben. Oder gerade acht. Ich stand mit Nina auf dem Schulhof. Sie wollte Pferd und Reiter spielen. Sie wardas Pferd und ich musste sie zähmen. Ich hatte keine Lust, Pferd und Reiter zu spielen. Das machten wir schon so oft. Ich wollte lieber beim Fußball mitmachen. Mit den Jungs. Aber das war nicht erlaubt.
    Nina wieherte ein bisschen. Aber keine Chance. Ich wollte wirklich nicht. Ich schaute zu dem Ball.
    »Wann lassen sich deine Eltern scheiden?«, fragte Nina plötzlich einfach so.
    »Wie meinst du das?«
    »Wann sie auseinandergehen.«
    Ich verstand Nina nicht. Papa und Mama gingen überhaupt nicht auseinander. Wie kam sie darauf?
    »Alle Eltern lassen sich scheiden«, sagte Nina.
    »Ach was«, sagte ich. »Meine nicht.«
    »Doch.«
    »Und wieso?«
    »Hannah hat gesagt, ihre Mutter hätte gesagt, dass alle Eltern irgendwann auseinandergehen«, sagte Nina. »Weil alle Männer Hunde sind.«
    Ich fand es dumm, was Nina sagte. Was Hannah sagte. Was ihre Mutter gesagt hatte. »Mein Vater ist kein Hund«, sagte ich.
    »Doch.«
    »Nein.«
    Nina schüttelte den Kopf. »Ist er doch«, sagte sie, »aber du und deine Mutter, ihr wisst es noch nicht.«
    Ich dachte lange nach. Dann fragte ich: »Und was ist mit deinen Eltern?«
    »Die lassen sich niemals scheiden«, sagte Nina.
    »Und wieso nicht?«
    »Weil sie mir und meinem kleinen Bruder nicht wehtun wollen.«
    Was für ein Unsinn, das alles. Ich wollte nicht mehr mit Nina reden. Ich galoppierte weg.

    »So«, sagt Mama. »Monsieur musste schon wieder weiter?«
    Ich glaube, dass sie die ganze Zeit Ausschau gehalten hat. Dass sie gewartet hat, bis Robert de Koning aus dem Zimmer geht.
    »Nein«, sage ich.
    »Nein?«
    »Er geht Renate holen. Die ist auch da.«
    Mama schaut, als hätte sie gerade eine Zitrone aufgegessen. Sie will wieder flüchten. Aber das erlaube ich nicht.
    »Du bleibst hier«, sage ich.
    »Er beißt ja schließlich nicht«, sagt Mama.
    Ich lächele.
    »Wie sitzt meine Frisur?«, fragt Mama.
    »Blöd«, sage ich.
    »Sehr gut«, sagt Mama. Sie wühlt in ihrer Tasche. Sie sucht bestimmt Make-up. Wimperntusche. Oder Eyeliner.
    »Ma?«
    »Ja?«
    »Ganz ruhig.«
    Mama nickt. Sie setzt sich auf ihren Stuhl und versucht, so normal wie möglich zu gucken. Ich muss fast ein bisschen lachen.
    »Was ist?«, fragt Mama.
    »Nichts.«
    Da ist Papa. Mit Renate. Jetzt muss ich mal wieder kurz ernsthaft sein.
    Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man denken, Mama und Renate wären richtig gute Freundinnen. Sie sind zuckersüß zueinander.
    Papa kapiert gar nichts mehr. »Kaffee?«, fragt er.
    »Ich gehe und hole welchen«, sagen Mama und Renate im Chor. Sie lachen. Es ist ja so lustig, dass sie gleichzeitig dasselbe sagen. Jetzt bekommen wir das Ich-gehe-schon-Spielchen.
    »Ich gehe schon«, sagt Renate.
    »Nein, ich gehe schon«, sagt Mama.
    Was habe ich gesagt? Erwachsene können sich vielleicht kindisch benehmen. Sie sind so sehr damit beschäftigt, dass sie fast vergessen, wie krank ich bin. Hilfe!
    »Geht doch zusammen«, sage ich. »Zu zweit ist es doch viel netter.«
    Mama steht auf.
    Renate schaut zu Papa. Der nickt. Mama und Renate dürfen zusammen zum Kaffeeautomaten. Sie gehen aus dem Zimmer.
    »Weshalb tun die beiden so?«, fragt Papa.
    Ich bin mir sicher, dass ich den verschlafensten Vater der ganzen Welt habe. Ich sage: »Du bist doch nicht verrückt, Pa?«
    »Nein«, sagt Papa. »Das nicht.«
    »Na also.«
    Papa tippt sich mit dem linken Zeigefinger aufs Kinn. Vielleicht legt er sich wieder einen Bart zu. Wenn Renate damit einverstanden ist.
    »Fahrt ihr noch in euer Schlösschen?«
    »Schlösschen?«
    »In der Toskana.«
    »Ach ja«, sagt Papa. »Natürlich.«
    »Lust?«
    Papa nickt. »Sehr viel Lust«, sagt er. »Die Toskana ist himmlisch.«
    Was hat Papa für ein Glück, dass ich ihn nicht mehr hasse. Sonst würde ich jetzt bestimmt ganz schlimme Dinge zu ihm sagen. Aber so sage ich nur: »Papa, du glaubst
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