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Der Hexer - NR17 - Gefangen im Dämonen-Meer

Der Hexer - NR17 - Gefangen im Dämonen-Meer

Titel: Der Hexer - NR17 - Gefangen im Dämonen-Meer
Autoren: Verschiedene
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er es nicht gewesen, hätte er in seinem Leben als Weltenbummler und Abenteurer kaum ein so stattliches Alter erreicht, ohne mehr als zwei Finger und ein halbes Ohr einzubüßen – und normalerweise hätte er um etwas, das derart fremd und bedrohlich wirkte, einen Bogen geschlagen, so groß wie der Wendekreis des Krebses. Überdies nahm er sich jeden Morgen, wenn er erschöpft und todmüde in seine kleine Hütte zurückkam und auf sein Bett fiel, fest vor, nicht noch einmal zur Küste hinunterzugehen.
    Und jeden Abend, wenn die Zeit kam, brach er wieder auf. Es war wie ein Zwang, etwas, das stärker war als seine Vernunft und ihn immer wieder aufs neue dazu brachte, die lebensgefährliche Kletterei in Kauf zu nehmen, um den kleinen Felsüberhang über der Küste zu erreichen, von dem aus er der unheimlichen Prozession zusehen konnte. Und da war noch etwas.
    Es war ihm unmöglich, darüber zu sprechen.
    Gleich am ersten Morgen hatte er es versucht, an dem Morgen, der der Nacht folgte, in der er sich hierher verirrt und die bizarren Knochenboote zum erstenmal gesehen hatte. Er hatte versucht, mit seinen Freunden darüber zu reden und von dem Sonderbaren zu berichten, aber es war ihm nicht gelungen. Seine Kehle war wie zugeschnürt gewesen. Alles, was er hervorgebracht hatte, war ein albernes Kichern.
    Der Wind drehte sich, fuhr raschelnd durch das dichte, tropische Unterholz, in dem Eldekerk Schutz gesucht hatte, und trug den düsteren Singsang, der das Erscheinen der Boote begleitete, für einen Moment stärker heran. Eldekerk schauderte. Das Geräusch erinnerte ihn an den dumpfen Wechselgesang mittelalterlicher Mönche, die ein Opfer zur Inquisition begleiteten. Eldekerk wußte nicht, warum – aber ganz genau das war das Bild, das seine Phantasie zu diesen Tönen erschuf.
    Er versuchte die Vorstellung zu vertreiben, aber es gelang ihm nur zum Teil. Sie blieb und gesellte sich der Angst hinzu, die der Anblick des guten Dutzends niedriger Boote ohnehin in ihm wachrief.
    Die sonderbare Prozession kam näher, so nahe, daß Eldekerk sie nun fast schon mit bloßem Auge als Schiffe erkennen konnte. Beim ersten Mal hatten sie kaum hundert Meter zurückgelegt, ehe sie verschwanden, am zweiten gut die doppelte Distanz, dann einen halben Kilometer, einen ganzen...
    Eldekerk wußte nicht, was geschehen würde, wenn sie die Küste erreichten. Der Felssims, auf dem er lag, wuchs wie ein von der Hand der Natur erschaffener Balkon gute zehn, zwölf Meter ins Nichts hinaus, so daß er den dreißig Meter tiefer gelegenen Küstenstreifen nicht erkennen konnte. Aber er glaubte auch nicht, daß sie die Küste heute erreichen würden. Es gab zwei Dinge, die dagegen sprachen.
    Das eine waren Eldekerks – zugegeben beschränkte – Mathematikkenntnisse. Er hatte versucht, die Strecke abzuschätzen, die noch zwischen der gespenstischen Flotte und der Küste lag, und die allabendliche Verdoppelung des Weges, den sie zurücklegte. Wenn er sich nicht geirrt hatte, durften sie die Küste frühestens in der folgenden Nacht erreichen.
    Das andere war der Mond.
    Eldekerk war kein abergläubischer Mensch, ganz und gar nicht. Er wußte nur, daß es Dinge gab, die mit dem Wissen und der Logik der Menschen nicht unbedingt zu erklären waren. Diese Flotte und ihre gespenstischen Steuermänner gehörten dazu. Als Eldekerk sie das erste Mal gesehen hatte, war Neumond gewesen. Jetzt fehlte noch ein Fingerbreit, aus dem Mond ein vollkommen gerundetes, fettes Auge zu machen, das vom Himmel blinzelte.
    Er war sehr sicher, daß die Gespensterflotte die Küste Krakataus genau bei Vollmond erreichen würde.
    Das erste Boot näherte sich der Stelle, die Eldekerk in Gedanken errechnet hatte. Hastig stemmte er sich auf die Ellbogen hoch, fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen, die vom langen angestrengten Starren zu schmerzen begonnen hatten, und setzte sein Fernglas wieder ab.
    Der langgestreckte Schatten wuchs zu einem grotesken Boot heran, in dem ein noch groteskeres Wesen stand, das es mit einer langen, irgendwie lebendig aussehenden Stange von der Stelle stakte. Aber Eldekerk hatte an diesem Abend weder einen Blick für das abstruse Knochengesicht des Mannes noch für sein seltsames Boot. Mit angehaltenem Atem und zitternd vor Spannung wartete er.
    Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt.
    Der Knöcherne stakte das Boot noch zehn, vielleicht zwölf Stöße weiter und zog seine Stange dann ein.
    Einen Augenblick später begann das Boot
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