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Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich

Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich

Titel: Der Hexer - NR09 - Das Mädchen aus dem Zwischenreich
Autoren: Verschiedene
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Blicken vollends zu entziehen, so, wie es ihr ein Leichtes war, zur gleichen Zeit an zwei oder auch mehr verschiedenen Orten zu sein. Aber sie hatte gelernt, mit ihren Kräften hauszuhalten und stets mit einem Minimum an Aufwand auszukommen. Die perfekteste Tarnung war noch immer gar keine Tarnung. Es gab keine bessere Maske als die des Gewöhnlichen.
    Das Mädchen durchquerte die Halle, ging jedoch nicht zum Ausgang sondern zu der schmalen Tür neben der Portiersloge, hinter der sich die Küche und die anderen, nicht für die Gäste des Hotels bestimmten Räumlichkeiten befanden.
    Es schloß die Tür hinter sich, sah sich einen Moment suchend in dem halbdunklen, niedrigen Korridor um und steuerte schließlich eine weitere Tür an. Dahinter lag eine steile, ausgetretene Holztreppe, die in den Keller hinabführte. Die morschen Stufen knackten und ächzten unter seinem Gewicht.
    Die Fremde erreichte einen Vorratsraum und durchquerte ihn, ging auch durch den angrenzenden Weinkeller, ohne den verstaubten Flaschen und Fässern mehr als einen flüchtigen Blick zu gönnen, und trat schließlich in einen feuchtkalten, von Moder und fauligem Wasser beherrschten Raum ganz am Ende der Gewölbekette. Es war eine Kammer, die nicht benutzt wurde und schon seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten, leer stand und dem Verfall anheim gegeben war.
    Für ihre Zwecke war sie ideal.
    Sorgsam drückte sie die verquollene Tür hinter sich ins Schloß, drehte sich wieder herum und lauschte einen Moment. Zuerst hörte sie nichts außer dem gedämpften Geräusch ihrer eigenen Atemzüge, aber dann vernahm sie leises Tappen und Huschen, ein Schleifen und Rascheln wie von kleinen, hornigen Pfoten. Ein durchdringender, unangenehmer Geruch lag plötzlich in der Luft, dann hörte sie ein leises Fiepen.
    Langsam griff das Mädchen in die Tasche, nahm eine Packung Zündhölzer hervor und riß eines davon an. Das Streichholz schien unnatürlich hell zu brennen und erfüllte das niedrige Gewölbe mit rotgelbem, flackerndem Licht
    Sie war nicht mehr allein.
    Im ersten Moment sah es aus, als wäre der Boden vor ihr zu pelzigem, quirlendem Leben erwacht. Der rötliche Schein des Streichholzes spiegelte sich auf knopfgroßen, schwarzen Augen, riß blitzende Reflexe aus hervorstehenden Zähnen und winzigen, rasiermesserscharfen Klauen. Für einen ganz kurzen Moment zögerte sie noch, denn das, was sie zu tun beabsichtigte, flößte selbst ihr Furcht und ein Gefühl banger, angsterfüllter Erwartung ein. Es mochte sein, daß sie einen Schritt tat, den sie nicht mehr würde rückgängig machen können. Ihre Macht reichte weit, und sie gebot über Kräfte und Wesen, die sich der Vorstellung der meisten Menschen entzogen; aber selbst für sie konnte der Stein, den sie ins Rollen bringen würde, zu schwer sein, um ihn wieder aufzuhalten. Vielleicht würde sie eine Lawine auslösen, die nicht nur die anderen, sondern auch sie unter sich begrub. Aber dann verscheuchte sie den Gedanken, löschte das Streichholz mit einer raschen, wedelnden Bewegung der Rechten, riß ein zweites an und hielt es hoch über den Kopf.
    Etwas in seinem Lichtschein schien sich zu ändern. Mit einem Male wirkte das rote Glühen düster und bedrohlich. Die Kälte verging und ein unangenehmer, erstickender Hauch begann sich in dem kleinen Gewölbe auszubreiten, während die Lippen des dunkelhaarigen Mädchens düstere, verbotene Worte aus einer längst vergessen Sprache zu flüstern begannen...

    * * *

    Lady Audley schrie auf, warf sich zurück und taumelte abermals gegen den Tisch. Ihre Finger lösten sich aus meiner Hand, und im gleichen Moment erlosch die geistige Verbindung; so abrupt, daß auch ich taumelte und mir für einen Moment schwarz vor Augen wurde.
    Ich spürte kaum, wie mich Rowlf wie ein Kind bei den Schultern ergriff und festhielt. Erst, als er begann, mir leicht mit dem Handrücken ins Gesicht zu schlagen, zerrissen die betäubenden Schleier um meinen Geist.
    »Robert – was in drei Teufels Namen geht hier vor?« schnappte Howard wütend. Sein Blick irrte unablässig zwischen Lady McPhaersons und meinem Gesicht hin und her.
    »Was geschieht hier?« zischte er. »Was hast du getan?«
    Ich ignorierte ihn, schob Rowlfs Hände beiseite und kniete neben Lady Audley nieder. Sie war neben dem Tisch zusammengesunken und schluchzte unterdrückt. Ihre Schultern zuckten und bebten, und Tränen malten schmierige Spuren auf ihre gepuderten Züge.
    »Lady Audley«, sagte ich sanft. »Es ist
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