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Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Titel: Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht
Autoren: Verschiedene
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Gewehrfeuer von der anderen Seite des Hauses war verstummt. Und wir wußten beide, daß es nur eine einzige logische Erklärung dafür gab.
    »Verschwinden Sie von hier, Tornhill«, sagte ich. »Nehmen Sie Ihre Männer und gehen Sie, solange Sie es noch können.«
    »Verschwinden?« wiederholte Tornhill schrill. »Jetzt, wo ich gewonnen habe?«
    »Sie begreifen noch immer nicht, wie?« sagte ich. »Necrons Männer haben Ihre Leute auf der anderen Seite des Hauses erledigt, und jetzt kommt er zurück, um Sie zu holen, Tornhill. Gehen Sie, ehe noch mehr Blut vergossen wird!«
    Auf den Gesichtern seiner drei Begleiter breitete sich Panik aus. Ich sah, wie die Männer nervös an ihren Gewehren zu fingern begannen und ihre Blicke unstet hierhin und dorthin huschten. Sie waren gewiß keine Feiglinge, aber sie alle hatten gesehen, wie Necron vor ihren Augen verschwunden war, und sie hatten den Krieger, der mich angegriffen hatte, aus dem Nichts auftauchen sehen. Und das Schweigen, das plötzlich auf dem Haus lastete, sprach seine eigene Sprache.
    »Nein«, sagte Tornhill schließlich. »Ich werde diesen Verrückten nicht entkommen lassen.« Sein Blick wurde hart. »Die Männer haben aufgehört zu schießen, weil sie diese Wilden erledigt haben, das ist alles! Eine Bande verrückter Fanatiker mit Messern und Säbeln kann es eben nicht mit einem Dutzend guter Gewehre aufnehmen.«
    Seine Stimme klang ganz klar, so überlegen und bewußt wie immer. Aber der Ausdruck in seinen Augen behauptete das Gegenteil. Tornhill war für rationale Argumente nicht mehr zugänglich. Es hatte keinen Sinn mehr, mit ihm reden zu wollen.
    Wortlos drehte ich mich herum und begann die Treppe hinaufzusteigen.
    »Wo wollen Sie hin, Craven?« rief Tornhill. »Kommen Sie zurück!«
    Ich antwortete gar nicht, sondern beschleunigte meine Schritte noch. Das Licht am oberen Ende der Treppe schien zu flackern, und für einen ganz kurzen Moment bildete ich mir ein, einen schlanken Schatten vorüberhuschen zu sehen, aber ich lief ungerührt weiter. Plötzlich hatte ich keine Angst mehr. Necron würde mich töten, das wußte ich, aber nicht jetzt, und nicht hier. Nicht, solange ich ihm das Buch nicht übergeben hatte.
    Tornhill fluchte, rief seinen Männern einen scharfen Befehl zu und begann, hinter mir die Treppe hinaufzuwanken. Zwei seiner Männer begleiteten ihn, während der dritte mit angeschlagenem Gewehr unten zurückblieb und die Halle sicherte.
    Der Inspektor erreichte nicht einmal die Hälfte der Treppe. Über mir wuchs plötzlich die hünenhafte Gestalt eines Drachenkriegers in die Höhe.
    Ein gellender Schrei erklang. Metall blitzte auf, und etwas Kleines, Flaches sirrte wie ein Diskus an mir vorüber, so dicht, daß ich den scharfen Luftzug spüren konnte. Tornhill schrie auf und versuchte dem Wurfgeschoß auszuweichen, aber der kleine, sechszackige Stern aus Stahl folgte seiner Bewegung. Tornhill keuchte, prallte seitlich gegen die Wand und blieb eine halbe Sekunde mit ungläubig aufgerissenen Augen stehen. Blut tropfte auf die steinernen Stufen.
    Die drei Polizisten begannen zu schießen. Verzweifelt warf ich mich nach vorn und prallte hart auf den Marmor der Treppe. Rechts und links von mir klatschten Kugeln gegen die Wand und die Stufen. Aber der Drachenkrieger war schon längst nicht mehr da.
    Ich wälzte mich herum und begann zu schreien, so laut ich konnte. »Lauft!« brüllte ich. »Lauft weg! Sie bringen euch um!«
    Einer der beiden Männer auf der Treppe beherzigte meinen Rat, während die beiden anderen, halb wahnsinnig vor Angst und Entsetzen, ungezielt weiter auf den Balkon und das obere Ende der Treppe feuerten.
    Das Ende kam schnell. Längs der Halle wurden plötzlich drei, vier Türen aufgerissen, und auch über mir erschienen zwei oder drei der schwarzen Schatten.
    Keiner der drei Scotland-Yard-Beamten erreichte auch nur den Ausgang.

    * * *

    Auf dem Gang brannte kein Licht. Nur durch die Tür der Bibliothek, deren rechter Flügel halb offen stand, fiel ein schmaler Streifen trübgelber Helligkeit.
    Die Gestalten der beiden Drachenkrieger, die mich wie zwei stumme Schatten flankierten, wirkten in der Dunkelheit drohender und gefährlicher denn je.
    Aber ich hatte keine Angst. Jetzt nicht mehr. Das Entsetzen, das mich gepackt hatte, als ich hilflos zusehen mußte, wie Necrons Killer Tornhill und seine Männer töteten, war einer dumpfen, betäubenden Leere gewichen, als wäre meine Fähigkeit, Schrecken und Furcht zu empfinden,
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