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Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Titel: Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht
Autoren: Verschiedene
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sollte, daß ich der Wahrheit damit sehr sehr nahe gekommen war. Im Moment war es einfach das überzeugendste Argument, das mir einfiel. Und Tornhill schien geneigt, mir zu glauben. Jedenfalls widersprach er nicht.
    »Ich... erinnere mich nicht genau an den Kampf«, fuhr ich fort. »Es ging alles so schnell... Irgendwie gelangte ich in den Nebenraum. Sie konnten mich dort nicht finden. Diese Uhr ist eine perfekte Tarnung.«
    »Und Sie wollen mir erzählen, diese... Männer hätten Sie ebenfalls nicht gefunden?« fragte Tornhill.
    »Sie hatten nicht viel Zeit zum Suchen«, gab ich zu bedenken. »Sie und Ihre Leute waren schnell zur Stelle. Und wer sucht schon in einer Uhr?«
    Tornhill runzelte die Stirn. Aber zu meiner Überraschung sagte er nichts, sondern stand auf, ging wortlos wieder zu der Standuhr und lugte durch ihre beiden offenstehenden Türen.
    »Dann bleibt nur noch die Frage, was das hier für ein... Zeugs ist«, sagte er. »Nur so – aus persönlicher Neugier, Craven. Würden Sie es mir erklären?«
    Er fragte ganz und gar nicht aus persönlicher Neugier. Das fühlte ich. Trotzdem stand ich auf ging zu ihm hinüber und...
    Die Ebene reichte bis zum Horizont und darüber hinaus, und hoch über ihr, am Himmel, hing ein bleicher, knochenweißer Mond In der Luft lag der Gestank verwesender Körper, und zwischen den schwarzen, in sanfter Monotonie auf- und abstrebenden Wellen, zu denen sich der Boden aufgeworfen hatte, lagen blasphemische Dinge von unbeschreiblicher Gestalt –
    Ich stöhnte. Das Bild hatte mich mit der Wucht eines Fausthiebes getroffen, und obgleich ich mir mit aller Gewalt einzuhämmern versuchte, daß es nichts als eine üble Vision war, wußte ich doch mit unerschütterlicher Gewißheit, daß diese Spottgeburt von einer Welt existierte, irgendwo, verloren in den Weiten der Zeit und doch real und drohend und tödlich.
    »Was haben Sie?«
    Tornhills Stimme war so deutlich, als stünde er direkt neben meinem Ohr, aber seine Worte erreichten mein Bewußtsein nicht.
    Die Mauer war wieder da, diesmal in anderer Richtung: eine Wand, die zwischen der Welt und meinem Denken lag, und an der alles Reale, Greifbare und Wirkliche abprallte, die Platz für den Wahnsinn schuf, der sich mit eisigen Händen in meinen Verstand wühlte.
    »Craven!« sagte Tornhill scharf. »Was ist mit Ihnen?«
    Wie durch einen auf und ab wogenden Schleier aus Nebeln und bösen Schatten sah ich, wie er sich herumdrehte und einen halben Schritt in meine Richtung tat. Dann blieb er plötzlich wieder stehen, aufmerksam geworden auf irgend etwas hinter der Tür.
    »Nicht!« stöhnte ich. Dieses eine, kaum verständliche Wort kostete mich unendliche Überwindung. Ich begann zu zittern. Die Kraft floß aus meinem Körper wie Blut, das durch eine fürchterliche Wunde entweicht und nur Schwäche und Tod zurückläßt. Ich wollte ihn warnen, ihm zuschreien, daß er sich herumdrehen und laufen sollte, so schnell er konnte, weg, nur weg von der Uhr, aber ich war Stunde um Stunde gewandert, unfähig, eine längere Pause oder wenigstens eine kurze Rast einzulegen, denn der Boden war nicht fest, und wenn ich länger als ein paar Augenblicke auf der gleichen Stelle verharrte, begann ich in den höllischen schwarzen Sumpf einzusinken, und ich konnte mich nicht rühren, hatte nicht einmal die Kraft, auf ihn zuzutaumeln und ihn zurückzureißen.
    »Gehen Sie nicht... dort hinein«, stöhnte ich. »Um Gottes Willen, Inspektor, gehen... Sie... nicht durch die... Tür.«
    Meine Stimme versagte. Ich stürzte, fiel hilflos zu Boden, aber der Schmerz, als ich mir das Gesicht blutig schlug, erreichte mein Bewußtsein nicht.
    Tornhill war mit einem Schritt bei mir und riß mich in die Höhe.
    »Verdammt, Craven, was ist passiert?« fauchte er.
    »Nicht dort hinein«, keuchte ich. Meine Gedanken begannen sich vollends zu verwirren. Ich konnte nicht mehr richtig sehen, begann die Kontrolle über meine Glieder zu verlieren und wäre erneut gestürzt, hätte Tornhill mich nicht gehalten. Sein Gesicht zerfloß vor meinen Augen zu einer amorphen weißen Fläche, seine Augen sanken ein und wurden zu lichtlosen schwarzen Tümpeln, aus denen mir der Wahnsinn entgegengrinste.
    Dann veränderte es sich abermals. Seine Züge wurden schmaler, jünger, weiblicher und sanfter, wurden zum Antlitz des einzigen Menschen, den ich jemals geliebt hatte. Aber nur für einen Moment, dann zerplatzte es erneut, und hinter der Maske Priscyllas kam ein grauenhaftes Ding zum
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