Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
tun Sie mir 'nen Gefallen, packen Sie nachher das Stativ zusammen. Ich hol's ab.«
    Reinecke verließ das Gebäude durch die düstere Halle. Ein paar Köpfe drehten sich nach ihm um. Aber niemand hielt ihn auf …
    Als er die Tür hinter sich zudrückte, war ihm, als verlasse er eine andere, von Dämonen und den Kräften des Bösen besessene Welt. Ein Kind … Das war doch noch ein Kind …
    Und Köhler, der Drecksack?
    Kauft Kutten und Meßkelche, verscherbelt meterweise diesen okkulten Satansschund, entblödet sich nicht, auch noch Geld damit zu machen.
    Die Luft war feucht und kalt. Über Tommis Kopf hatten sich die Wolken geöffnet. Eingesäumt von silberhellen Rändern, standen die Sterne am Himmel, eiskalte Stecknadelpunkte, Millionen von Lichtjahren entfernt.
    Reinecke blieb stehen.
    Er blickte die vom Neonlicht kalkig erhellten Häuserzeilen entlang. Die Kneipe dort an der Ecke, wo er zuvor mit Köhler sein Bier getrunken hatte, war jetzt geschlossen. Hinter den zugezogenen Vorhängen mancher Fenster aber brannte noch Licht. Von irgendwoher klang Fernsehgebrabbel. Talk-Shows oder ein Hollywood-Schinken? Schwachsinn in jedem Fall …
    Tommi sog mit geöffnetem Mund die Luft ein. Und der Gedanke, hunderttausendmal gedacht, wollte wieder Oberhand gewinnen, zusammen mit dem altbekannten Gefühl lähmender Ohnmacht: Was zum Teufel – ja, zum Teufel – haben sie aus dieser Welt gemacht?
    Dasselbe wie zu allen Zeiten?
    Vielleicht. Aber Reinecke sah wieder den dünnen weißen Jungenarm, sah das gezackte Messer, das Blut und die Urinlache am Boden. Und die schwarzen Kapuzen. Und vernahm den gepreßten Atem des Dreckstücks Köhler neben sich …
    Schlimm …
    Soviel kannst du gar nicht essen, wie du kotzen möchtest. Aber deine Wut, hat sie dir je weitergeholfen? Und das ewige Nach-Gründen-Bohren genausowenig. Was zum Teufel aber kann einen Zahnspangen-Jungen dazu bewegen, an derart widerwärtigen Satans-Riten teilzunehmen?
    Vor Reinecke färbte sich der Horizont mit dem schmutzigen, brandigen Rot der Stadt. Höllenrot … Die Hölle gehört zum Himmel, und Satan, der gefallene Engel, zu Gott. Und auf die Frage, was einen Haufen von Jugendlichen dazu bringen kann, sich ›Satan zu weihen‹, findest du auch keine Antwort …
    ›Weihen‹? Hatten sie das Wort überhaupt im Vokabular? Wußten sie etwas von Kirche, Glaube, von Erlösung, Himmel und Hölle? Wer ging denn noch in den Religionsunterricht? Ihre Apostel hießen Tom Cruise, Boris Becker oder ›Schumi‹. Und die Hertie-Modeabteilung, die nächste Disco oder McDonald's waren die Kirchen, die sie frequentierten. Und später hieß ihr ›Gott‹ Mercedes oder TUI oder Porsche.
    Was also ist es, was diese Jungen hierher treibt? Ist es, daß sie von den Marketing-Göttern und ihrem Konsum-Schwachsinn die Schnauze voll haben und sich auf die Flucht begeben? Nach irgendwohin … Daß sie etwas suchen, das gar nicht extrem und hart genug sein kann, wenn es ihnen nur aus der Öde heraushilft …
    Ist es das? …
    Reinecke lief weiter, eine Stunde lang, immer München entgegen, bis ihn endlich ein Taxi auflas. Eine Antwort auf seine Frage fand er nicht. Was treibt sie?
    Zu Hause in seiner Küche nahm Tommi Reinecke einen kräftigen Schluck aus der Obstlerflasche, die im Eisschrank für solche Gelegenheiten bereitstand. Der Schnaps half nicht. Und Schopi, der Kater, war auch nicht zurückgekommen, streunte irgendwo dort unten über den Hof.
    Na schön …
    Im Zimmer war es still, und Tommi war hundemüde. Er schloß die Augen. Dort drüben lagen noch immer die Fotos: Sechs-sechs-sechs, Omega, Grufti-Partys, Satanslogen … Er mußte mit Do Folkert sprechen, obwohl er auf nichts weniger Lust hatte als darauf, daß sie ihn wieder mit diesen von Verzweiflung geweiteten Mutteraugen anstarrte, um dann endlos über ihr Verhältnis zu ihrer Tochter zu reden.
    Eines aber stand für ihn fest: Kati mochte tausend Motive haben, und es konnte ihr alles mögliche zugestoßen sein, aber daß ein Mädchen wie sie ernsthaft mit einem Irrenhaufen wie diesen Logen-Leuten von Sechs-sechs-sechs zu tun hatte, kam nun doch nicht in Betracht.
    Doch mit wem dann? …

2
    Vor zwölf Jahren, nach ihrer Scheidung, als Do Folkert Haus und Anwesen ›Burggarten 23‹ erwarb, bildete die Terrasse etwas wie Höhepunkt und Schlußstein der ganzen Planung. Sündteuer war sie obendrein. Erde mußte bewegt, Steinmetze angeheuert, Sandsteinquader die enge Serpentinenstraße hinaufgeschafft und dann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher