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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
Autoren: Daniel Polansky
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Gesehen habe ich ihn jedenfalls nicht.«
    Sie schlug mir mit der Faust ins Gesicht. »Du Dummkopf.« Erneut hob sie die Hand, ließ sie jedoch wieder sinken. »Du Dummkopf.«
    Da konnte ich ihr nicht widersprechen.
    »Schwör mir, dass du ihn finden wirst.«
    »Ich werde mein Möglichstes tun.«
    Sie schüttelte den Kopf, packte mich beim Revers meiner Jacke und sah mich mit weit aufgerissenen Augen zornentbrannt an. »Nein, schwör’s mir. Schwör mir, dass du ihn unversehrt zurückbringst.«
    Mein Hals war so trocken, dass ich die Worte nur hervorkrächzen konnte. »Ich schwöre es.« In der Regel verspreche ich nichts, was ich nicht halten kann. Am liebsten hätte ich meine Worte sofort zurückgenommen.
    Sie ließ mich los und sank völlig gebrochen auf Adolphus’ Schoß. Er tätschelte ihr sanft den Rücken.
    Ich erhob mich. »In einer Stunde bin ich wieder da.«
    »Du willst doch nicht etwa …« Adolphus verstummte.
    »Noch nicht. Erst muss ich noch was anderes erledigen.«
    Es war nicht ratsam, einen Angehörigen des Hochadels zu ermorden, ohne vorher die Behörden davon in Kenntnis zu setzen. Ich musste den Alten aufsuchen.

44
    Ich stieß die Eingangstür des Schwarzen Hauses auf, als wäre ich dort immer noch der beste Ermittlungsbeamte und kein kleiner Dealer. Offenbar machte ich einen halbwegs anständigen Eindruck, denn der Wachhabende ließ mich ohne Weiteres passieren. Als ich meinen Weg fortsetzte, stellte ich ohne allzu große Überraschung fest, dass ich mich nach wie vor gut in dem labyrinthartig angelegten Gebäude zurechtfand.
    Das Büro des Alten liegt genau in der Mitte des Gebäudes, im Herzen eines Gespinsts aus öden Arbeitsräumen und Gängen, die mit langweiligem Teppichboden ausgelegt waren. Ich trat ein, ohne anzuklopfen. Irgendwie musste er gewusst haben, dass ich kommen würde, und saß erwartungsvoll in seinem Sessel. Auf dem Holzschreibtisch vor ihm befanden sich weder Papiere noch Bücher oder irgendwelcher Nippes. Der einzige Zierrat war eine kleine Schale mit harten Bonbons.
    »Ein Tag vor Ablauf der Frist«, sagte ich, indem ich ihm gegenüber Platz nahm und das Päckchen auf den Schreibtisch warf.
    Mit einem dumpfen Knall landete es auf der Platte. Der Alte ließ seinen Blick zwischen mir und dem Päckchen hin- und herwandern. Dann griff er nach den Papieren, lehnte sich zurück und blätterte sie mit quälender Langsamkeit durch. Anschließend legte er das Ganze wieder auf den Tisch. »Das verspricht eine interessante Lektüre zu werden. Bedauerlicherweise ist es jedoch nicht das, was Sie in meinem Auftrag herausfinden sollten. Ich kann um Ihretwillen nur hoffen, dass Sie noch mehr zu bieten haben.«
    Das Rasiermesser lag in meinem Ranzen. Ich brauchte es nur auf den Tisch zu legen, dann konnte ich das Schwarze Haus als freier Mann verlassen – und das würde ich zumindest so lange bleiben, bis sie wieder etwas von mir wollten. Dem Rasiermesser haftete die Aura der Leere an, es war so gut wie ein unterschriebenes Geständnis. Doch da Zeisig verschwunden war, kam das nicht infrage. Ein Straßenjunge interessierte den Alten nicht im Geringsten und war ihm so viel wert wie ein abgeschnittener Fußnagel.
    Der Herzog dagegen war zu hochgestellt, als dass man ihn einfach auf Nimmerwiedersehen im Schwarzen Haus verschwinden lassen konnte. Wenn sie ihn drankriegen wollten, mussten sie wenigstens den Schein von Legalität aufrechterhalten. Wochen würden mit der Zustellung von Vorladungen und allerlei juristischem Gerangel vergehen, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass Beaconfield Zeisig so lange am Leben ließe. Das setzte natürlich voraus, dass der Alte überhaupt die Absicht hatte, ihn zu Fall zu bringen, was ich bezweifelte. Wahrscheinlicher war, dass er das Material, das ich ihm gegeben hatte, dazu benutzen würde, Beaconfield unter Druck zu setzen und ihn in die Dienste des Schwarzen Hauses zu zwingen. Wenn er den Herzog in der Tasche hatte, war dieser mehr wert, als wenn er an einem Seil baumelte.
    Um den Jungen unversehrt zurückzubekommen, musste ich die Zügel in der Hand behalten. Das war die einzige Chance, die ich hatte. Und das hieß, ich musste haarscharf kalkulieren, durfte nur so viel preisgeben, dass ich die Erlaubnis bekam, gegen den Herzog vorzugehen, mich jedoch nicht so weit festlegen, dass der Alte beschloss, mir die Show zu stehlen. Ich nahm ein Bonbon aus der Schale, wickelte es langsam aus und steckte es mir in den Mund. »Das betrifft natürlich nur
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