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Der Herr Der Drachen: Roman

Titel: Der Herr Der Drachen: Roman
Autoren: Lara Morgan
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und sagte in der uralten Sprache: »Ich bin gekommen, und nun werdet ihr den wahren Weg wiederfinden.« Da er sich den gebeugten Häuptern der Drachen zugewandt hatte, sah er nicht, wie sich Tallis hinter seinem Rücken in den Tempel schlich.
     
    Atemlos rannte Tallis durch die Dunkelheit an Shaans Seite. Noch war sie am Leben, doch sie war so schwach, dass ihr Herz nur noch unregelmäßig schlug. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er sich hinabbeugte, sie aufhob und fühlte, wie leicht und zerbrechlich sie war. Er spürte, dass ihr Leben nur noch an einem dünnen Faden hing. Voller Angst um sie griff er tief in sein Inneres und rief nach ihr. Die Worte, die er flüsterte, waren uralt und erfüllt von Macht. Wie ein heißer Wüstenwind strömte ihre Wärme durch sein Inneres in seine Schwester. Sie regte sich nicht, doch er bemerkte, dass ihr Herzschlag kräftiger wurde. Weil er wusste, dass er keine Zeit verschwenden durfte, trug er sie unmittelbar darauf zur Tür, um mit ihr zu fliehen.
    Doch als er ins Freie trat, traf er auf Azoth, der bereits mit einem beängstigenden Lächeln auf den Lippen am Fuß der Stufen stand und zu ihm hinaufsah.
    »Also«, sagte er in entspanntem Tonfall, »gibt es nicht nur einen, sondern zwei. Wie kommt es, dass ich mir deiner bisher nicht bewusst war?«
    Augen in der Farbe dunklen Indigos blitzten ihm entgegen, und Tallis erstarrte, als er erkannte, was Shaan ihm bisher verschwiegen hatte. Azoths Augen, seine eigenen, die seiner Schwester - sie waren alle gleich. Eine furchtsame Ahnung ließ ihn erschauern. Er trat einen Schritt zurück. Seine Schwester fest in den Armen spürte er den Türrahmen des Tempels an seinem Rücken. Er fühlte ein unsichtbares Band an seinem Selbst ziehen, wie eine Kordel, die sich zudrehte - oder ein Zügel.
    »Aahhh, ja.« Azoth nickte. »Ich sehe, du spürst mich jetzt.« Sinnend betrachtete er ihn. »Meine schwarzen Drachen erzählten mir bereits Gerüchte über meinen Arak-ferish . Doch ihre Geister sind nicht mehr so klar, wie sie einmal waren. Ich glaubte nicht, dass
sie wussten, wovon sie sprachen. Aber wie ich sehe, lag ich falsch, Sohn.« Seine Zähne leuchteten weiß. »Ich habe mich oft gefragt, ob der Erste, den ich zeugte, ein Sohn war.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Tallis, der Name eines Wüstenmannes.«
    Tallis rang nach Atem. Azoth hatte seinen Namen direkt seinem Bewusstsein entnommen. Was konnte er noch finden? Voller Panik stellte er sich eine Barriere um seinen Geist vor, versuchte, ihn auszuschließen.
    Azoth verzog das Gesicht. »Du hast Macht. Doch wie lange, glaubst du, kannst du sie nutzen und dich gegen mich wenden?« Er lächelte. »So jung. Bring deine Schwester da runter und hör auf, mich so böse anzusehen. Ich hätte sie nicht sterben lassen. Damit«, er hielt einen kleinen, glänzenden Stein in die Höhe, »könnte ich sie im Handumdrehen wieder zum Leben erwecken.«
    Wie ein Gestalt gewordener Teil der Nacht glitzerte der Stein in seiner Hand. Doch Tallis wusste nicht, was er dort vor sich hatte, und die Art, in der Azoth Shaans Elend leichtfertig abtat, ließ sein Herz vor Zorn erbeben.
    »Ich bin nicht dein Sohn«, zischte er. »Und wir werden nicht bei dir bleiben.«
    »Und wie willst du entkommen?« Azoth deutete auf den Kreis der Drachen, die unbeweglich wie Statuen rings um den Tempel kauerten. Tallis’ Angst wuchs. Der schwarze Drache, der Haldane getötet hatte, hockte auf einer zerfallenen Mauer. Er fühlte, wie der Hass der versammelten Drachen nach ihm griff. Sie waren so stark. Wie konnte er hoffen, sie alle zu besiegen? Verzweiflung begann ihn zu erfassen, doch er verdrängte sie.
    Marathin , rief er. Da ertönte ein gellender Schrei in der Luft über ihnen, und Azoth und er sahen nach oben. Haraka, Attar auf dem Rücken, glitt aus dem wolkenverhangenen Himmel herab. Ein Pfeil prallte neben Azoths Füßen auf den Boden, und der Gott rief den Drachen einen Befehl zu. In einem Gewirr aus Flügeln und Krallen begannen sie, sich in die Luft zu erheben.
    Tallis rannte. Shaan fest an sich gedrückt, hetzte er die Stufen
hinunter und rief dabei noch einmal nach Marathin. Komm, komm jetzt! Hinter ihm drehte sich Azoth nach ihm um. Noch immer trug er ein leichtes Lächeln auf seinen Zügen. Tallis sah ihn an, während Marathin ihm entgegenflog.
    Geh also, Sohn , seine Stimme war ein Flüstern in seinem Geist. Ich habe, was ich im Augenblick benötige. Wir werden wieder zusammen sein. Azoth hob die Hand
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