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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel
Autoren: Marian Keyes
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(Ich glaube, da stimmt was nicht.) Aber die Frau fürchtet sich vor anderen Dingen …
    Einen guten Blick auf den Mann – Matt – zu bekommen, ist gar nicht so leicht, weil sie so ineinander verknäult sind; sein Gesicht ist fast völlig versteckt. Lustig, bei ihnen läuft dieselbe Gartensendung wie bei Jemima, doch im Gegensatz zu ihr finden diese beiden offenbar, dass es wunderbare Fernsehunterhaltung ist.
    Ganz unerwartet spüre ich die Gegenwart eines zweiten Mannes. Nur schwach, aber doch stark genug, dass ich in alle Ecken fahre, um nachzusehen. Wie in den anderen drei Wohnungen im Haus gibt es zwei Schlafzimmer, aber hier wird nur eins als Schlafzimmer benutzt. Das andere ist halb Arbeitszimmer, halb Abstellraum – ein Schreibtisch, ein Computer und überflüssige Sportgeräte (Nordic-Walking-Stöcke, Badminton-Schläger, Reitstiefel und so), aber keine Schlafstätte.
    Ich schnüffle noch ein bisschen weiter. Zwei Podge-and-Rodge-Tassen in der Küche, zwei Tigger-Müslischüsseln, alles gibt es paarweise. Wer immer der andere Mann ist, er wohnt nicht hier. Und dem wilden, verwucherten Garten hinter dem Haus nach zu urteilen, den man vom Schlafzimmer aus sehen kann, mäht er auch nicht den Rasen. Ich kehre ins Wohnzimmer zurück und komme ganz nah an die engelhafte Maeve heran, um mich ihr – ganz freundlich – vorzustellen, aber sie fängt an, mit den Armen um sich zu schlagen, wie jemand, der Schwimmübungen auf dem Trockenen macht, und stößt Matt zurück. Sie befreit sich aus der Umarmung
und setzt sich aufrecht hin. Das Blut ist aus ihrem Gesicht gewichen, und ihr Mund macht ein großes stummes O.
    Matt stemmt sich von dem weichen Sofa hoch und setzt sich, auch er ist verstört. »Maeve! Maeve! Es geht doch nur um Gartenarbeit! Hat jemand was Schlimmes gesagt?« Seine Miene drückt Besorgnis aus. Jetzt kann ich ihn besser sehen, er hat ein junges, freundliches, selbstbewusstes Gesicht, und ich vermute, wenn er nicht so besorgt ist, gehört er zu denen, die lächelnd durchs Leben gehen.
    »Nein, es ist nichts …«, sagt Maeve. »Entschuldige, Matt, es war nur … nein, alles in Ordnung, es ist nichts.«
    Zögernd umarmen sie sich wieder. Aber ich habe sie durcheinandergebracht, beide, und das will ich nicht. Sie gefallen mir; die ungewöhnliche Zärtlichkeit zwischen ihnen berührt mich.
    »Ist gut«, sage ich (aber natürlich können sie mich nicht hören), »ich gehe ja schon.«
    Ich setze mich draußen auf die Stufen und bin leicht bedrückt. Abermals überprüfe ich die Adresse: Star Street Nummer 66, Dublin 8. Ein rotes Backsteinhaus im georgianischen Stil mit einer blauen Eingangstür und einem Türklopfer, der wie eine Banane geformt ist. (Ein früherer Bewohner war ein Schlosser mit Sinn für Humor. Die anderen konnten ihn nicht ausstehen.) Eindeutig ein Backsteinhaus. Eindeutig georgianisch. Die Haustür eindeutig blau. Der Türklopfer hat eindeutig die Form einer Banane. Dies ist das richtige Haus. Aber keiner hat mir gesagt, dass hier so viele Menschen wohnen.

    Mach dich auf alles gefasst, hat man mir geraten. Aber das ist nicht die Sorte Alles, auf die ich mich gefasst gemacht habe. Es ist das falsche Alles.
    Und ich kann niemanden fragen. Ich bin losgeschickt worden wie ein Spion mit einer neuen Legende. Ich muss allein klarkommen.
    EINUNDSECHZIG TAGE …
    An meinem ersten Abend in der Star Street Nummer 66 bin ich von Wohnung zu Wohnung gezogen, ängstlich bemüht herauszufinden, welche meine ist. Katies Wohnung war leer. Kurz nach meiner Ankunft hatte sich die ganze Truppe ziemlich gereizt zu einem teuren Restaurant aufgemacht. In der Wohnung darunter putzten Jan und Andrej die Küche, während Lydia sich an dem kleinen Schreibtisch in der Ecke des Wohnzimmers installierte und lange Zeit vollkommen vertieft im Netz surfte. Als sie in ihr Zimmer ging und ein Schläfchen machte und Jan und Andrej sich in ihrem Zimmer die Betriebswirtschaftsbücher vornahmen – so tüchtig, die beiden –, wechselte ich zur Etage darunter, zu Jemimas Wohnung. Ich achtete darauf, dass ich ihr nicht zu nahe kam, schließlich wollte ich nicht wieder von ihr beschimpft werden. Aber ich gestehe, dass es mir großen Spaß machte, den Hund an der Nase herumzuführen, Grollo – wenn er wirklich so heißt. Ich schaukelte um ihn herum, und er starrte in die Luft in gebanntem, regungslosem Staunen. Als ich auf die Idee kam, ein wenig
zu tanzen, bewegte sich sein großer grauer Kopf – das muss man ihm lassen –
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