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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein
Autoren: David Berger
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eine ganz andere Seite, die geprägt ist von einem ebenso hingebungsvoll ausgelebten Katholizismus feierlicher Gottesdienste und tief zerknirschter Beichten. Über all dem steht jedoch Wilfreds innere Zerrissenheit zwischen sexueller Erfüllung und religiöser Tugend, die ihn in die Verzweiflung treibt. Als ich auf der letzten Seite des Romans angelangt war, war mir klar, dass es für mich keinen Kompromiss und keine Zerrissenheit geben konnte und dass ich mich konsequent für einen der beiden Wege entscheiden musste. Ich war mir absolut sicher, dass ich den Zölibat - unabhängig von meiner sexuellen Veranlagung - nicht würde einhalten können. Dies brachte mich schließlich dazu, auf meinen Traumberuf zu verzichten.

Karriere im konservativen Katholizismus
    Ganz so radikal fiel meine Entscheidung dann aber doch nicht aus, denn zu einem vollkommen anderen Weg konnte ich mich nicht entschließen. Im Herbst 1989 begann ich in meiner Geburtsstadt neben Germanistik und Philosophie auch katholische Theologie zu studieren, um später Lehrer an einem Gymnasium zu werden. Das Studium der Theologie fiel mir leicht, da ich mich bereits intensiv mit theologischen Themen beschäftigt hatte.
    Der Herbst 1989 sollte für mein weiteres Leben aber noch aus einem anderen Grund schicksalsträchtig werden. Wenige Wochen nach Studienbeginn lernte ich einen gleichaltrigen Mann kennen und lieben. Wir waren beide in Unterfranken geboren und aufgewachsen, so dass der Katholizismus in seinem Leben ebenfalls eine feste Größe darstellte, freilich ohne das Konfliktpotential, das er für mich bereithielt.
    Ein Jahr nachdem wir uns kennengelernt hatten, gaben wir uns vor dem Gnadenbild der Muttergottes im Würzburger » Käppele «, dem marianischen Heiligtum des Frankenlandes, unser Treueversprechen für ein zukünftiges gemeinsames Leben. Dieses Versprechen hält schon länger als alle Ehen und Beziehungen meiner Geschwister, Eltern oder Cousinen, ob mit oder ohne kirchlichen Segen. Die vielen Höhen und wenigen Tiefen der gemeinsamen Jahre haben mir den tieferen Sinn des Verzichts auf den Priesterberuf immer klarer vor Augen treten lassen.
    Mein ausgeprägtes Interesse an der klassischen Theologie, die, wie mir damals schien, ganz unabhängig von menschlichen Projektionen nur das Übernatürliche in den Mittelpunkt stellt, führte dazu, dass ich meinen Professoren recht bald auffiel und man mir eine akademische Laufbahn nahelegte. Ohne größere Anstrengungen gelang es mir nach meinem ersten Staatsexamen, im Jahr 1998 an der Universität Dortmund zu promovieren. Meine Doktorarbeit befasste sich mit der Verhältnisbestimmung von Natur und Gnade - eine Thematik, die richtungweisend ist für die davon abhängige Frage nach dem Verhältnis von Staat und Kirche, Profanwissenschaft und Religion. Ich war der erste Doktorand von Professor Thomas Ruster . Der eher dem progressiven Flügel der katholischen Theologie angehörende Professor ließ mir größtmögliche Freiheit, ich konnte also gedanklich durchaus auf den von mir eingeschlagenen Wegen einer konservativen Theologie wandeln. Und er sorgte dafür, dass mir der mit einem recht hohen Preisgeld ausgestattete Dissertationspreis der Universität verliehen wurde.
    Ein knappes Jahr bevor ich meine Prüfungen zum Doktorat abschloss, hatte ich mit dem Referendariat für den Schuldienst begonnen. Seit dem Jahr 2000 unterrichte ich an einem Gymnasium in der Nähe von Köln.
    Während mein Privatleben in verhältnismäßig ruhigen Bahnen verlief, geriet ich in den Jahren meiner Dissertation tief in eine Parallelwelt, die Welt der ultrakonservativen Katholiken. Es gibt kaum eine Gruppe oder Institution, die ich nicht persönlich kennengelernt hätte. Zumeist im Rahmen von Vorträgen oder Vorlesungsreihen besuchte ich Ausbildungszentrum, Schulen und Priorate der Priesterbruderschaft St Pius X. Ich machte nähere Bekanntschaft mit deren Studentenseelsorge sowie den führenden Laien der Piusbewegung. In der Diözese St. Pölten war ich während der Regentschaft von Bischof Kurt Krenn in einem ultrakonservativen Priesterseminar Dozent für Dogmatik. Verhältnismäßig schnell erhielt ich auch Zugang zu nicht öffentlich agierenden, aber äußerst einflussreichen, weil elitär ausgerichteten, ultrakonservativen Netzwerken. Publizistisch arbeitete ich in jenen Jahren für die meisten erzkonservativen katholischen Medien in Deutschland. Aber auch für nahezu alle bekannteren Zeitschriften der päpstlichen
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