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Der Hausflug

Titel: Der Hausflug
Autoren: Gert Prokop
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brummte Villa.
    „Prima!“ Jonas stürzte ins Wohnzimmer. Er angelte sich seine Mütze vom Tisch und zog sie tief ins Gesicht, um gegen die grellblendende Sonne sehen zu können.
    „Da kommt eins!“
    „Schon gesehen“, antwortete Villa und schwenkte in eine sanfte Kurve, um auf den Kurs des Flugzeuges zu gelangen.
    „Jetzt!“ schrie Jonas, als das Flugzeug so dicht heran war, daß er hinter den Fenstern des Cockpits die Gesichter der Piloten erkennen konnte.
    Er winkte mit beiden Armen, niemand winkte zurück. Die Piloten sahen in seine Richtung, doch sie reagierten nicht einmal, als Jonas Grimassen schnitt, ihnen die Zunge heraussteckte, eine lange Nase machte, einen Vogel zeigte. Das Flugzeug zog an ihnen so dicht vorbei, daß Jonas glaubte, er hätte es mit der Hand berühren können. Niemand sah aus den runden Fenstern an der Seite. So ein Riesenflugzeug fliegt doch nicht leer über den Atlantik, dachte Jonas. Dann ließ er sich enttäuscht in den Schaukelstuhl fallen. Villa hatte ihn betrogen.
    „Du bist gemein“, schrie er, „du hast dein Versprechen gebrochen. Wir sind gar nicht zu sehen gewesen!“
    „Doch“, sagte Villa, „ganz bestimmt. Großes Ehrenwort.“
    Jonas hatte das Gesicht in den Händen vergraben, Tränen liefen ihm über die Wangen. Jetzt belog Villa ihn auch noch.
     
     
     
    H atte Villa Jonas betrogen? Um so mehr ich von der Geschichte erfuhr, desto weniger glaubte ich es. Auch Jonas hat es damals nicht lange geglaubt. Bestimmt, so beruhigte er sich, hat es nur nicht geklappt.
    Vielleicht aber hatte es doch funktioniert und die Piloten waren nur zu verwirrt gewesen, um Jonas zuzuwinken? Wie hättest du reagiert, fragte ich mich. Man stelle sich das vor: Da fliegen sie hoch über dem Meer, alles verläuft normal, die Maschine ist längst auf den Autopiloten geschaltet – das heißt, das Flugzeug fliegt jetzt automatisch, die Piloten können sich ausruhen und Kaffee trinken –, da sehen sie plötzlich ein strohgedecktes Fischerhaus vor sich, ein paar tausend Meter über dem Erdboden, und am Fenster steht ein Junge und winkt ihnen zu – würdet ihr da euren Augen glauben? Würdet nicht auch ihr denken, das sei eine Sinnestäuschung oder eine Luftspiegelung, eine Fata Morgana?
    Diese Begegnung über den Wolken war aber eine der ganz wenigen Dinge, an denen ich – vielleicht! – überprüfen konnte, ob Jonas mir eine wahre oder eine erfundene Geschichte erzählt hatte.
    Wenn ich die Besatzung des Düsenclippers fand, so sagte ich mir, würden sie vielleicht zugeben, daß sie das Haus über den Wolken gesehen hatten. Wie aber sollte ich sie finden? Ich wußte nicht mehr als den Tag und die ungefähre Zeit, zu der die Begegnung stattgefunden hatte – haben sollte! – Über den Nordatlantik fliegen jedoch in jeder Stunde ein paar Dutzend Flugzeuge aus vielen Ländern.
    Ich fuhr in die Stadt und sah in der Universitätsbibliothek die Zeitungen aus jenen Tagen durch. Ich hatte nicht allzuviel Hoffnung, etwas zu finden. Keine Zeitung würde solch eine Meldung ernst nehmen, vielleicht aber entdeckte ich etwas unter „Was sonst noch passierte“ oder „Kuriose Nachrichten“ oder einer ähnlichen Rubrik. In einer englischen Zeitung fand ich schließlich eine Notiz in der Spalte „You can’t believe“– Kaum zu glauben.
    „UFO 1 mit Strohdach“, so lautete die Schlagzeile. „Auch Flugkapitäne spinnen jetzt Seemannsgarn. Der Kapitän eines britischen Düsenjets wollte unserem Korrespondenten in New York weismachen, er habe über dem Atlantik in zehntausend Meter Höhe ein fliegendes Fischerhaus gesehen, an dessen Fenster ein Junge gestanden und ihnen zugewinkt hätte. – Sollten die Außerirdischen unseren Planeten jetzt mit strohgedeckten Häusern statt mit Fliegenden Untertassen besuchen?“
    Ich erkundigte mich bei der Zeitung in London nach der Adresse des Korrespondenten. Als ich ihn in New York anrief, lachte er mich aus, daß ich für diesen „nonsens“ so viel Geld ausgab – Telefongespräche nach Amerika kosten wirklich Unsummen –, aber er bestätigte, daß er die Notiz geschrieben hatte, und er suchte mir den Namen des Flugkapitäns heraus.
    Den Flugkapitän erwischte ich erst Wochen später. Ich rief alle paar Tage bei der Fluggesellschaft in London an, und als ich erfuhr, daß Kapitän Simmons wieder auf der Route Warschau-London-New York eingesetzt war, flog ich nach Warschau. Simmons war bereit, sich am Abend in seinem Hotel mit mir zu treffen, als er dann
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