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Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition)
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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herbestellt, und als sie mir die Rechnung gab, hätte man meinen können, sie habe mir den Blinddarm herausgenommen.«
    »Wie hieß die Frau?«, fragte Mrs. McKee.
    »Mrs. Eberhardt. Sie kommt zur Fußpflege zu den Leuten nach Hause.«
    »Sie haben ein schönes Kleid an«, bemerkte Mrs. McKee. »Ich finde es bezaubernd.«
    Mrs. Wilson tat das Kompliment ab, indem sie verächtlich eine Augenbraue hob.
    »Es ist bloß ein komisches altes Ding«, sagte sie. »Ich zieh’s manchmal über, wenn es mir egal ist, wie ich aussehe.«
    »Aber es steht Ihnen fabelhaft, Sie wissen schon, wie ich’s meine«, fuhr Mrs. McKee fort. »Wenn Chester Sie in dieser Pose vor die Kamera bekäme, könnte er bestimmt etwas draus machen.«
    Schweigend schauten wir alle Mrs. Wilson an, die sich eine Haarsträhne aus den Augen strich und uns mit einem strahlenden Lächeln bedachte. Mr. McKee legte den Kopf schief, betrachtete sie aufmerksam und bewegte dann langsam eine Hand vor seinem Gesicht hin und her.
    »Ich müsste das Licht verändern«, sagte er nach einer Weile. »Ich würde gern die Form der Gesichtszüge herausbringen. Und ich würde versuchen, das ganze hintere Haar mit aufs Bild zu bekommen.«
    »Das Licht würde ich unter keinen Umständen verändern«, rief Mrs. McKee aus. »Ich finde es –«
    Ihr Mann sagte »Psst!«, und wir schauten alle wieder zum Motiv, worauf Tom Buchanan gähnte und aufstand.
    »Ihr McKees trinkt jetzt erst mal was«, sagte er. »Hol noch ein bisschen Eis und Mineralwasser, Myrtle, ehe hier alle einschlafen.«
    »Ich hatte doch den Jungen darum gebeten.« Myrtle runzelte angesichts der Nachlässigkeit der niederen Ränge unwillig die Stirn. »Diese Leute! Ständig muss man hinter ihnen hersein.«
    Sie sah mich an und lachte grundlos. Dann fiel sie über den Hund her, küsste ihn ekstatisch und rauschte in die Küche, als wartete dort ein Dutzend Köche auf ihre Anweisungen.
    »Ich habe ein paar schöne Sachen draußen auf Long Island gemacht«, stellte Mr. McKee fest.
    Tom schaute ihn mit leerem Blick an.
    »Zwei davon haben wir gerahmt unten hängen.«
    »Zwei was?«, fragte Tom.
    »Zwei Studien. Die eine habe ich ›Montauk Point – die Möwen‹ genannt und die andere ›Montauk Point – das Meer‹.«
    Die Schwester, Catherine, setzte sich neben mich auf das Sofa.
    »Wohnen Sie auch auf Long Island?«, fragte sie.
    »Ich wohne in West Egg.«
    »Wirklich? Da war ich vor ungefähr einem Monat auf einer Party eingeladen. Bei einem gewissen Gatsby. Kennen Sie ihn?«
    »Ich wohne direkt neben ihm.«
    »Es heißt, er sei ein Neffe oder ein Cousin Kaiser Wilhelms. Da soll auch all sein Geld herkommen.«
    »Wirklich?«
    Sie nickte.
    »Er macht mir Angst. Ich möchte lieber nicht mit ihm aneinandergeraten.«
    Diese packenden Ausführungen über meinen Nachbarn wurden von Mrs. McKee unterbrochen, die plötzlich auf Catherine zeigte: »Chester, ich glaube, mit ihr könntest du auch etwas machen!«, rief sie, doch Mr. McKee nickte nur gelangweilt und wandte sich wieder Tom zu.
    »Ich würde gern häufiger auf Long Island arbeiten, wenn mich dort nur jemand in die Gesellschaft einführen würde. Ich möchte bloß, dass man mir eine Chance gibt.«
    »Fragen Sie Myrtle«, sagte Tom und lachte laut auf, als Mrs. Wilson mit einem Tablett zur Tür hereinkam. »Sie schreibt Ihnen bestimmt eine Empfehlung, nicht wahr, Myrtle?«
    »Was tue ich?«, fragte sie erschrocken.
    »Du schreibst McKee eine Empfehlung, damit er ein paar Studien von deinem Mann machen kann.« Er bewegte beim Nachdenken stumm die Lippen. »›George B. Wilson an der Zapfsäule‹ oder so etwas.«
    Catherine beugte sich zu mir herüber und flüsterte mir ins Ohr: »Sie können beide ihre Ehegatten nicht ausstehen.«
    »Nein?«
    »Nicht ausstehen. « Sie schaute erst Myrtle und dann Tom an. »Und ich sage, warum weiter mit jemandem zusammenleben, den man nicht ausstehen kann? Ich an ihrer Stelle würde mich scheiden lassen und sofort heiraten.«
    »Mag sie Wilson denn auch nicht?«
    Die Antwort darauf war unerwartet. Sie kam von Myrtle, die die Frage gehört hatte, und sie war heftig und obszön.
    »Sehen Sie?«, rief Catherine triumphierend aus. Dann senkte sie die Stimme wieder. »Vor allem seine Frau steht ihnen im Weg. Sie ist katholisch, und Katholiken glauben nicht an Scheidung.«
    Daisy war nicht katholisch, und ich war ein wenig entsetzt über die Abgefeimtheit dieser Lüge.
    »Und wenn sie doch irgendwann heiraten«, fuhr Catherine fort,
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