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Der große deutsche Märchenschatz

Der große deutsche Märchenschatz

Titel: Der große deutsche Märchenschatz
Autoren: Anaconda
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Anrühren und trug sie fort. Es erging ihr nicht besser als ihrer Schwester: Sie ließ sich von ihrer Neugierde verleiten, öffnete die Blutkammer und schaute hinein und musste es bei seiner Rückkehr mit dem Leben büßen. Er ging nun und holte die dritte, die aber war klug und listig. Als er ihr die Schlüssel und das Ei gegeben hatte und fortgereist war, verwahrte sie das Ei erst sorgfältig, dann besah sie das Haus und ging zuletzt in die verbotene Kammer. Ach, was erblickte sie! Ihre beiden lieben Schwestern lagen da in dem Becken jämmerlich ermordet und zerhackt. Aber sie hub an und suchte die Glieder zusammen und legte sie zurecht, Kopf, Leib, Arme und Beine. Und als nichts mehr fehlte, da fingen die Glieder an sich zu regen und schlossen sich aneinander, und beide Mädchen öffneten die Augen und waren wieder lebendig. Da freuten sie sich, küssten und herzten einander. Der Mann forderte bei seiner Ankunft gleich Schlüssel und Ei, und als er keine Spur von Blut daran entdecken konnte, sprach er: »Du hast die Probe bestanden, du sollst meine Braut sein.« – Er hatte jetzt keine Macht mehr über sie und musste tun, was sie verlangte. »Wohlan«, antwortete sie, »du sollst vorher einen Korb voll Gold meinem Vater und meiner Mutter bringen und es selbst auf deinem Rücken hintragen; derweil will ich die Hochzeit bestellen.« Dann lief sie zu ihren Schwestern, die sie in einem Kämmerlein versteckt hatte, und sagte: »Der Augenblick ist da, wo ich euch retten kann: Der Bösewicht soll euch selbst wieder heimtragen; aber sobald ihr zu Hause seid, sendet mir Hilfe.« Sie setzte beide in einen Korb und deckte sie mit Gold ganz zu, dass nichts von ihnen zu sehen war. Dann rief sie den Hexenmeister herein und sprach: »Nun trag den Korb fort, aber dass du mir unterwegs nicht stehen bleibst und ruhest, ich schaue durch meine Fensterlein und habe acht.«
    Der Hexenmeister hob den Korb auf seinen Rücken und ging damit fort, er drückte ihn aber so schwer, dass ihm der Schweiß über das Angesicht lief. Da setzte er sich nieder und wollte ein wenig ruhen, aber gleich rief eine im Korbe: »Ich schaue durch mein Fensterlein und sehe, dass du ruhst, willst du gleich weiter!« Er meinte, die Braut rief ihm das zu, und machte sich wieder auf. Nochmals wollte er sich setzen, aber es rief gleich: »Ich schaue durch mein Fensterlein und sehe, dass du ruhst, willst du gleich weiter!« Und sooft er stillstand, rief es, und da musste er fort, bis er endlich stöhnend und außer Atem den Korb mit dem Gold und den beiden Mädchen in ihrer Eltern Haus brachte.
    Daheim aber ordnete die Braut das Hochzeitsfest an und ließ die Freunde des Hexenmeisters dazu einladen. Dann nahm sie einen Totenkopf mit grinsenden Zähnen, setzte ihm einen Schmuck auf und einen Blumenkranz, trug ihn oben vors Bodenloch und ließ ihn da hinausschauen.
    Als alles bereit war, steckte sie sich in ein Fass mit Honig, schnitt das Bett auf und wälzte sich darin, dass sie aussah wie ein wunderlicher Vogel und kein Mensch sie erkennen konnte. Da ging sie zum Haus hinaus, und unterwegs begegnete ihr ein Teil der Hochzeitsgäste, die fragten:
    Â»Du, Fitchers Vogel, wo kommst du her?«
    Â»Ich komme von Fitze Fitchers Hause her.«
    Â»Was macht denn da die junge Braut?«
    Â»Hat gekehrt von unten bis oben das Haus
    und guckt zum Bodenloch heraus.«
    Endlich begegnete ihr der Bräutigam, der langsam zurückwanderte. Er fragte wie die andern:
    Â»Du, Fitchers Vogel, wo kommst du her?«
    Â»Ich komme von Fitze Fitchers Hause her.«
    Â»Was macht denn da meine junge Braut?«
    Â»Hat gekehrt von unten bis oben das Haus
    und guckt zum Bodenloch heraus.«
    Der Bräutigam schaute hinauf und sah den geputzten Totenkopf. Da meinte er, es wäre seine Braut, und nickte ihr zu und grüßte sie freundlich. Wie er aber samt seinen Gästen ins Haus gegangen war, da langten die Brüder und Verwandte der Braut an, die zu ihrer Rettung gesendet waren. Sie schlossen alle Türen des Hauses zu, dass niemand entfliehen konnte, und steckten es an, also dass der Hexenmeister mitsamt seinem Gesindel verbrennen musste.

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