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Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers

Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers

Titel: Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
Autoren: Neumeier Rachel
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zu dunkel. Trotzdem wagte er es nicht, eine Kerze anzuzünden, denn er fürchtete die Aufmerksamkeit, die ihr Schein vielleicht fand.
    So dauerte es lange, Melentser zu verlassen – eine lange Zeit, bis er über einen letzten Haufen Schutt teils geklettert war, teils ihn umgangen hatte und er sich endlich außerhalb der Stadtmauer wiederfand. Eine Strecke, die eigentlich nicht mehr als zwei Stunden hätte in Anspruch nehmen dürfen, hatte ihn die dreifache Zeit gekostet. Wie lang waren die Nächte eigentlich zu dieser Jahreszeit? Nicht lang, jetzt noch nicht. Noch nicht annähernd so lang wie im Herbst. Wie schnell nahm wohl die Hitze zu, sobald die Sonne erst einmal aufgegangen war? Gerent blickte erneut forschend zu den Sternbildern hinauf, atmete die trockene Luft tief ein, trank einen großen Schluck Wasser und wanderte in die Wüste hinaus.
    Die Sterne zogen über den Himmel; der dünne Mond bewegte sich in einem hohen Bogen zwischen ihnen hindurch. Die Pfeilspitze im Sternbild des Bogens zeigte Gerent, wo es geradewegs nach Osten ging. Er schlug eine Richtung ein, die ihn ein gutes Stück nördlicher führte, und schritt rasch aus. Die Nacht war zu keinem Zeitpunkt wirklich kühl geworden. Ein leichter Wind wehte, aber er war heiß und blies ihm körnigen Staub ins Gesicht. Manchmal ging er mit geschlossenen Augen. Es war so dunkel, dass dies kaum einen Unterschied ausmachte.
    Er war ohnehin schon müde und stellte fest, dass sich die vom Sand aufsteigende starke Wärme wie eine Glasur über seine Gedanken zu legen schien: Einen Großteil der Zeit schritt er in einer Art halbblinder Trance dahin. Verformte Säulen und schräg stehende Mauern versperrten ihm manchmal den Weg. Zweimal lief er beinahe direkt in eine solche Wand hinein. Beide Male warnte ihn im letzten Moment die Hitze, die das Gestein in die Dunkelheit abstrahlte. Und jedes Mal schüttelte er danach die Schläfrigkeit ab, wandte sich ein gutes Stück von seinem Weg ab, um das Hindernis zu umgehen, und hielt erneut nach dem Sternbild des Bogens Ausschau. Zumeist war der Boden eben, aber einmal stolperte Gerent, nachdem er schon lange Zeit in der Wüste unterwegs war, auf unebenem Grund und fiel auf die Knie. Der Schreck weckte ihn aus seiner totalen Benommenheit, und als er anschließend blinzelnd zum Himmel hinaufblickte, stellte er fest, dass er nach Nordwesten hin abgeirrt war, direkt in die Wüste hinein. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon in die falsche Richtung gegangen war.
    Dann stellte er fest, dass er einen Hauch rötlich-grauen Lichts im Osten sah. Und er bemerkte, dass er einen Wasserschlauch in der Hand hielt und dieser leer war. Er hatte nicht mal für eine ganze Nacht gereicht.
    Die Sonne ging rasch auf und spähte sicherlich schneller über den Horizont, als sie es in einem angenehmeren Land getan hätte. Die ersten kräftigen Strahlen liefen über den Wüstensand und fielen auf Gerent – und als dies geschah, spürte er auf einmal, dass ihn das Fluchgelübde-Band nicht mehr an Perech Fellesteden fesselte. Es zerriss unvermittelt, als gäben die Glieder einer Kette unter einer unerbittlichen Belastung schließlich nach. Gerent stolperte. Stand einen Augenblick lang reglos da, während ihn eine unglaubliche Freude wie Feuer durchströmte.
    Dann stieg die Sonne vollständig über den Horizont, und Gerent stellte sofort fest, dass er sich geirrt hatte, als er die Wüste in der Nacht für heiß hielt. Hier draußen im Freien war die Macht der Sonne überwältigend. Unvorstellbar. Kein Wunder, dass das Sonnenlicht das Fluchgelübde zerstört hatte; Gerent konnte sich gut vorstellen, dass die Macht der Sonne womöglich jede gewöhnliche Magie von Menschen zum Schmelzen brachte. Sobald sie ein gutes Stück weit am Himmel emporgestiegen war, wirkte die Sonne kleiner und doch viel heftiger, als Gerent sie je erlebt hatte. Der Himmel wies eine seltsame metallische Tönung auf: nicht blau, nicht ganz weiß. Schon das Licht, das rings um ihn herabbrannte, war unerbittlich feindselig gegenüber Menschen und all ihren Werken. Tatsächlich lag Feindseligkeit überall in die Wüste eingebettet. Es war keine normale Wüste, sondern ein Land aus Feuer und Stein, in dem nichts zu gedeihen vermochte, was der sanfteren Erde angehörte. Wie es der große Dichter Anweyer ausgedrückt hatte: »Die Wüste ist ein Garten, in dem Zeit und Stille blühen.« Gerent allerdings hätte sie überhaupt nicht in irgendeiner Weise als Garten bezeichnet. Sie
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