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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Autoren: Sebastian Jutzi
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behalten. Geschickt fängt er den Wagen ab, der hart auf der Piste landet. Der Aufprall ist so heftig, dass er seine Wirbelsäule staucht. Dem wagemutigen Briten wird klar, dass er sich besser konzentrieren muss. Einen Überfall von Kriminellen könnte er quasi als höhere Gewalt noch akzeptieren. Aber aus eigener Unachtsamkeit auf der Strecke zu bleiben, wäre eine unverzeihliche Dummheit.
    Die Landschaft verändert sich. Aus der Ebene der Savanne erheben sich immer mehr Hügel, das Terrain steigt an und formt sich zu Bergen. Das Braun der Erde und die Beige- und Gelbtöne des vertrockneten Grases werden von immer satter werdendem Grün abgelöst.
    Als er auf die tansanisch-ruandische Grenze zufährt, atmet Robert auf. Er hat es geschafft und noch nicht einmal einen Banditen von ferne gesehen. Glück gehabt.
    Es ist ein merkwürdiges Gefühl, das Land zu betreten, in dem zehn Jahre zuvor ein Völkermord stattgefunden hat. Wenn man weiß, dass man durch Dörfer fährt, in denen Menschen ihre Nachbarn mit Macheten abschlachteten, gan ze Familien in einem Blutrausch ausgelöscht wurden, dann raubt einem das die Sicherheit und das Vertrauen in die eigene Unverletzlichkeit. Die Normalität des Alltagslebens verkommt zur Kulisse, hinter allem wähnt man Gefahr.
    Ruanda ist ein fruchtbares Land, an dessen Berghängen Felder mit Bohnen, Mais, Kohl oder Bananen wie große Gras soden kleben. Passanten säumen die Straßen und zeugen von der hohen Bevölkerungsdichte von mehr als 300 Einwohnern pro Quadratkilometer. Sobald man sich einer Ortschaft nähert, werden die Menschentrauben dichter und dichter. Kin der und Jugendliche winken den Vorbeifahrenden zu, Alte jedoch sieht man kaum. Ihre hohlwangigen Gesichter starren hinter den Karossen her, die über die asphaltierte Straße brausen. Am Wegrand tummeln sich wenige Tiere, meist Ziegen oder Hühner, einige magere Hunde – und vielleicht eine Kuh.
    Das Hotel in Kigali wirkt wie vieles in Afrika so, als sei es nie neu gewesen. Reist man in Länder mit begrenztem Wohlstand, sind verfallene Gebäude oder heruntergekommene Städte ein normaler Anblick. Aber man ahnt noch ihren ehemaligen Glanz, erkennt den Stolz ihrer Erbauer. In Afrika wirkt vieles hingegen, als ob es irgendwo auf der Erde eine Fabrik gäbe, die abgewetzte Möbel, lädierte Waschbecken und Badewannen, durchgelegene Matratzen, verklebte Klimaanlagen, ausgeblichene Landschaftsgemälde und eingerissene Tapeten produzieren und den Kontinent damit überschwemmen würde.
    Nach einer Dusche liegt Robert auf dem Bett und denkt nach. Morgen wird er in den Kongo fahren. Wow! Er hat einen Auftrag, den er gewählt hat, obwohl er eine Alternative gehabt hätte. Im Osten des Kongos, aus dem man nur schlechte Nachrichten hört, soll er sich für die Zoologische Gesellschaft Frankfurt um den Schutz des Virunga-Nationalparks kümmern. Das Weltnaturerbe ist ein Juwel des Artenschutzes und beherbergt unter anderem die berühmten Berggorillas.
    Ein Bekannter hatte ihm erzählt, dass die ZGF diesen Job zu vergeben hätte. Weshalb sie sich für ihn entschieden hat, weiß er nicht genau, aber er geht die Argumente, die aus seiner Sicht für ihn sprechen, noch einmal durch.
    Sein Vater war Soldat gewesen. Also waren sie spätestens alle zwei Jahre an einen neuen Einsatzort versetzt worden. Robert kam in Münster zur Welt, wuchs in Hongkong auf und lernte als erste Sprache Kantonesisch von einem alten chinesischen Kindermädchen. Daher musste die liebe Frau die Fragen seiner Eltern, wie es ihm gehe, vom Englischen ins Chinesische übersetzen und Robs Antworten dann ebenso dolmetschen. Später zog die Familie, jetzt um eine Schwes ter reicher, nach Zypern. Dort trieb sich der Sechsjährige jede freie Minute in der Natur herum und sammelte alle Tiere ein, die er fangen konnte.
    Das nomadenhafte Leben einer Soldatenfamilie schulte ihn darin, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. In einem sich ständig wandelnden Umfeld war die Familie die Konstante, auf die es ankam. Sie trotzte allen Widrigkeiten und verlieh Sicherheit.
    Die Fähigkeit, gestützt auf eine kleine Gruppe in vielleicht unfreundlicher Umwelt agieren zu können, ist, so dämmert ihm gerade, sicher eine gute Voraussetzung für das, was ihn erwartet. Sein Studium in Naturschutz ist als fachliche Qualifikation eine Selbstverständlichkeit. Außerdem beherrscht er Französisch, eine der Verkehrssprachen im Kongo. Manche sagen, er höre sich wie ein alter Freibeuter aus der
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