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Der goldene Drache

Der goldene Drache

Titel: Der goldene Drache
Autoren: Ursel Scheffler
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unfreundlicher Wind und plötzlich einsetzende Regenböen machen die Überfahrt zu einer unangenehmen Schaukelpartie.
    „Verdammt“, murmelt Lao Shu, „ich hab nicht mal einen Schirm dabei.“
    Trotzdem lächelt der gerissene Gauner zufrieden, als er sich auf einen der harten Sitzplätze im Heck des Schiffes zwängt.
    Der Handel ist nach seinem Geschmack. Wenn alles läuft, wie es soll, hat er bald die erste Million auf seinem Konto. Eine Million Hongkong Dollar! Nicht schlecht für den Anfang. Jetzt muss er nur noch den Lieferanten auf die Füße treten, dass sie auch alles pünktlich abliefern. Er hat sich mit dem Händler Ping Ding um sieben Uhr in dessen Geschäft in der Nathan Road verabredet. Lao Shu wirft einen Blick auf die Uhr. Es ist erst halb sieben, und das Fährschiff legt bereits am Kowloon-Pier an.
    Er wird also pünktlich sein.
    Im Sog der Menschenmenge verlässt Lao Shu das Boot. Als er am Parkplatz vorbeieilt, zuckt er einen Augenblick erschrocken zusammen. Ist das dort nicht Ma, der Assistent von Inspektor Hu?
    Glücklicherweise ist Ma gerade damit beschäftigt, die verschmierte Windschutzscheibe des Dienstwagens zu säubern. So kommt Lao Shu ungesehen an ihm vorbei. Er erinnert sich nicht gern an seine letzte Begegnung mit Ma und Hu, die ihm einige Monate Gefängnis eingebracht hat.

     
    In Nebengassen und Hinterhöfen haben sich inzwischen die kleinen chinesischen Garküchen mit Schirmen und Planen auf das plötzlich einsetzende Regenwetter eingestellt. Verlockend zieht der Duft von frisch Gegartem und Gebratenem durch die Luft. Lao Shu bekommt Hunger. Er hat seit dem Frühstück nichts gegessen.
    Aber erst muss er zu seiner Verabredung! Er eilt an den zahllosen Läden vorbei, die sich hier in der Nathan Road dicht an dicht aneinander drängen, und Einheimische, aber vor allem Touristen, mit ihren preiswerten Angeboten locken.

    An der Ecke Jordan Road verlangsamt er seine Schritte. Hier muss es sein! Er überprüft die Anschrift auf einem handgeschriebenen Zettel. Dann betritt er einen dunklen Hausgang, steigt ein paar Treppen hinauf und erreicht ein ärmlich wirkendes Schneidergeschäft.
    „Hallo, Nihao“, begrüßt ihn ein schmächtiger älterer Mann mit pfiffigen Augen. Es ist Ping Ding.

    Er schiebt einen Vorhang beiseite und führt seinen Gast in einen etwas gemütlicher eingerichteten Wohnraum, um ihm Tee anzubieten. Es dauert nicht lange, dann kommen die beiden rasch zum Geschäft.
    „Morgen brauchen Sie die Ware schon?“, fragt Ping Ding überrascht. „Da muss ich schnell mit meinem Agenten in Kanton telefonieren.“
    Nach fünf Minuten kommt er zurück, nickt und sagt: „Geht in Ordnung! Einen Teil der Uhren habe ich schon hier. Der Rest kommt morgen. Und wie steht es mit der Bezahlung?“
    „Gegen bar. Wie ausgemacht“, versichert Lao Shu.
    Ping Ding nickt zufrieden. Wenig später verabschieden sich die beiden Geschäftspartner voneinander.
    Glücklicherweise regnet es nicht mehr so stark. Lao Shu beschließt, sich für den arbeitsreichen Tag mit einem guten Abendessen zu belohnen. Er strebt auf ein Lokal in der Shanghai Road zu, das für seine gute kantonesische Küche bekannt ist.

    Und jetzt greift „Kommissar Zufall“ in die Handlung ein. Denn Kommissar Kugelblitz und sein Kollege Hu, die sich an diesem Tag auch bei den Händlern in Kowloon umgesehen und umgehört haben, laufen zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls durch die Shanghai Road. Sie wollen zum Hafen, wo sie Hus Assistent Ma mit dem Dienstwagen schon ungeduldig erwartet.
    „Moment mal“, sagt Hu und zupft Kugelblitz am Ärmel. „Den kenne ich doch! Das ist Lao Shu, ein alter Kunde von uns. Saß schon einmal ein paar Monate wegen Hehlerei.
    Es würde mich brennend interessieren, wohin er geht.“
    Sie folgen ihm unauffällig bis zum Restaurant „Long Fung“.
    Kein Wunder, dass Lao Shu zusammenfährt, als er plötzlich die Stimme des Inspektors vernimmt, die ihm in unangenehmer Erinnerung ist.
    „Hallo, Lao Shu, Sie sind doch hoffentlich nicht wegen verbotener Geschäfte hier?“, erkundigt sich Hu.
    „Nein, ganz im Gegenteil. Man lernt doch schließlich aus seinen Fehlern. Ich habe mir einen freien Tag genommen und komme gerade aus dem Kino. Jetzt gönne ich mir noch ein gutes Abendessen“, entgegnet Lao Shu und grinst breit.
    „Na, dann guten Appetit. Sollte mich freuen, wenn Sie jetzt auf dem Pfad der Tugend wandeln“, entgegnet Hu und klopft Lao Shu freundschaftlich auf die Schulter, bevor der lachend
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