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Der Glucksbringer

Der Glucksbringer

Titel: Der Glucksbringer
Autoren: Wilding Lynne
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betrachtete, hatte ich plötzlich die Idee zu einer Schmuckkollektion, die auf dem Topas basiert.«
    Er öffnete das Etui und betrachtete die Brosche. »Sie ist«, sinnierte er laut, »außergewöhnlich«. Nach einer Weile schloss er den Deckel und schob die Schachtel neben die Zuckerdose, die auf dem Tisch stand.
    Linda fuhr fort: »Tja, und nachdem ich einmal angefangen hatte zu zeichnen, blendete ich die Details der Topasbrosche nach und nach aus und ließ meine Fantasie spielen. Trotzdem war die Brosche der Auslöser – damit fing praktisch alles an.«
    »Die Journalistin findet das bestimmt ungeheuer spannend«, erklärte er. »Erzähl es ihr und zeig ihr die Brosche. Steck ihr auch das mit dem Jobangebot in Siena. So was beeindruckt die Leser.«
    Sie war sich weiterhin unschlüssig, ob sie den Job in Siena annehmen sollte. Mittlerweile hatte sie mit ihren Eltern gesprochen, die diesen Schritt befürworteten. Linda seufzte. Die Entscheidung wäre ihr wesentlich leichter gefallen, wenn es noch einen Funken Hoffnung gegeben hätte, dass Tony sich noch zu ihr bekannte. So, wie es jetzt zwischen ihnen lief, fand sie die Vorstellung unerträglich, zwölf lange Monate in Italien zu verbringen in dem deprimierenden Wissen, dass er nur ein
paar hundert Kilometer von ihr entfernt lebte. Sie fand es toll, wie rührend er sie unterstützte. Andere Männer wären womöglich neidisch auf ihren Erfolg gewesen, aber nicht Tony. Er ermutigte und bestärkte sie; wieder etwas, was sie an ihm schätzte. Andererseits hatte sie in der ganzen Zeit, die sie gemeinsam in Paris verlebt hatten, nicht den kleinsten Hinweis darauf bekommen, dass er sich sonderlich stark zu ihr hingezogen fühlte. Oder gar in sie verliebt war. Es war höchst frustrierend! Bevor sie nach Paris gekommen war, war das Leben himmlisch einfach gewesen. Jetzt war es kompliziert ohne Ende. Nein, das stimmte so auch wieder nicht.
    »Dass du nervös bist, ist nicht weiter tragisch«, sagte Tony gerade. »Du machst deine Sache bestimmt gut, davon bin ich überzeugt.«
    Linda japste erschrocken auf. Das Interview, schoss es ihr blitzartig durch den Kopf. Mit einem Mal überlief es sie siedendheiß. Er sprach von dem Interview, und sie hockte neben ihm und verstieg sich in gefühlsduseligen Grübeleien. Sie blickte auf ihre Armbanduhr: Es war viertel nach vier. »Grundgütiger! Das Interview. Das hatte ich völlig verdrängt. Wir sind etliche Blocks vom Claude Bernard entfernt. Verdammt, ich komme viel zu spät.« Ärgerlich – sie verabscheute es, sich zu verspäten – schnappte sie sich ihre Schultertasche und sprang vom Stuhl auf. »Ich ruf mir ein Taxi.« Sie hauchte Tony einen Luftkuss zu. »Wir sehen uns um sieben, zum Abendessen. Okay?« Sie stürmte zur Bordsteinkante, winkte aufgeregt einem vorbeifahrenden Taxi.
    Tony, der beobachtete, wie sie sich ins Zeug legte, grinste amüsiert. In ihrer Hektik erinnerte sie ihn an ein aufgezogenes Spielzeug, das von einer in die andere
Richtung lief. Er sah sie in ein Taxi steigen und ihm im Vorbeifahren fröhlich zuwinken. Er schüttelte den Kopf. Ihre Sprunghaftigkeit und Quirligkeit waren herzerfrischend. Das liebte er so an ihr. Und, ja, er liebte sie noch immer, vielleicht sogar mehr als früher, gestand er sich selbst ein. Er versuchte schon seit Tagen, seine tiefen Empfindungen zu leugnen, aber es klappte nicht. Sicher, er hatte ihr glaubhaft vorgespielt, dass er sie bloß aus alter Freundschaft in Paris besuchte und weil sie schöne Erinnerungen miteinander verbanden. In Wirklichkeit jedoch war er spontan hin und weg gewesen, als er ihre Stimme am Telefon gehört hatte. Und hatte sie einfach wiedersehen müssen, wenngleich er wusste, dass er damit bittersüße Erinnerungen heraufbeschwor.
    Und da war noch etwas. Seit ihrer Trennung schien sie ihm noch bezaubernder und liebenswerter. Inzwischen war sie reifer und erwachsener geworden, eine eigenständige Persönlichkeit, die kleinste emotionale Nuancen registrierte, über die sie früher locker hinweggegangen wäre. Die schlichte Vorstellung, dass sie heute Abschied nehmen mussten, brach ihm fast das Herz. Und er hoffte inständig, dass er sich mit eiserner Selbstdisziplin über den Abend würde retten können.
    Als er die Brieftasche aus seinem Sakko zog und die Rechnung bezahlte, fiel sein Blick auf das mit blauem Samtvelours überzogene Etui. In ihrer Eile wegzukommen, hatte Linda vergessen, es einzustecken. Sie hatte es zu dem Interview mitnehmen wollen, um
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