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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat
Autoren: Thomas Darnstädt
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Scheweningen hat das Gericht allerdings nicht zu bieten. Vor allem hat es keine eigene Streitmacht, keine Gerichtsvollzieher und keine Polizisten. Wenn es sein Recht durchsetzen will, ist es, wie einst das Reichskammergericht, auf die Streitkräfte kooperationswilliger Vertrags-Staaten angewiesen. Dennoch, findet der Völkerrechtler Kreß - der als Vertreter Deutschlands bei den Verhandlungen in Rom dabei war -, könne der Apparat an der holländischen Nordsee als »Keimzelle eines Welt-Staates« betrachtet werden.
    Die »Neuordnung der Welt nach den Grundsätzen des Rechts« ist ein halbes Jahrhundert nach den Nürnberger Prozessen immerhin an einem Anfang. Wenn es ein Weltstrafrecht gibt, warum kann es dann kein Weltpolizeirecht geben? Wenn es möglich ist, in der Grauzone zwischen innerer Sicherheit und Krieg mit den Mitteln der Strafe Frieden stiftend zu wirken und Menschenrechte zu schützen, warum soll dies dann nicht präventiv ebenso möglich sein? Warum soll nicht die Abwehr besonders schwerer Bedrohungen - auch für die Menschenrechte - ebenfalls eine Angelegenheit der Weltgemeinschaft sein? Kein Staat müsste eine solche globale Polizei als Einmischung in Angelegenheiten seiner inneren Sicherheit empfinden. Denn
definitonsgemäß würde so ein internationales Rechtsregime nur greifen, wo die Grenzen der Rechtsmacht nationaler Staatsorganisationen überschritten sind. Nicht anders ist es beim Internationalen Strafgerichtshof: Seine Zuständigkeit ist nur gegeben, so weit ein Völkerrechtsverbrechen nicht von der heimischen Strafjustiz des Täters verfolgt wird.
    Weltfremd: Dies ist das erste Gegenargument gegen Vorschläge, den Kampf gegen den Terrorismus zum Teil einer supranationalen Instanz zu übertragen. Doch dieses Argument ist nur zur Hälfte richtig. Ausgerechnet George W. Bushs Hardliner Michael Chertoff, ehemals Heimatschutzminister in Washington, denkt nun in dieselbe Richtung. Anfang 2009, in den letzten Tagen seiner Amtszeit, veröffentlichte er in der weltweit renommierten Politik-Zeitschrift Foreign Affairs einen Plan, eine Art Vermächtnis, für die definitive Ausrottung des Terrorismus. »The Responsibility to Contain«, ist sein Aufsatz überschrieben.
    Chertoff hält es langfristig für möglich, eine völkerrechtliche gegenseitige Verpflichtung aller Staaten zu begründen, den grenzüberschreitenden Terrorismus mit den Mitteln der inneren Sicherheit zu bekämpfen, so weit dies in ihrer Rechtsmacht steht. Wenn Staaten dies nicht können oder nicht wollen, soll die Weltgemeinschaft berechtigt sein, die Sache an sich zu ziehen. »Es braucht ein internationales Rechtsregime«, schreibt Chertoff, das verantwortungslose oder hilflose Staaten »potenziellen Sanktionen unterwirft oder sogar, wenn nötig, einer militärischen Intervention, die darauf zielt, solche Gefahren zu neutralisieren.« Dieser Wenn-Nötig-Fall wäre ein Krieg gegen den Terror unter der Führung einer internationalen Instanz - sagen wir: ein Blauhelm-Einsatz. Nur anders als die Einsätze, die der Sicherheitsrat oder die Nato beschließen, wäre eine solche Aktion vom internationalen Recht und nicht von der Ranküne der Atommächte oder ehrgeiziger Militärs geleitet. Dass der Sicherheitsrat, eine besonders mächtige »Gruppe von Nationen« mit Partikularinteressen, von Aufgaben der Rechtsdurchsetzung überfordert ist, sieht auch Chertoff.

    Nur sagt auch der ehemals oberste Wachmann der Vereinigten Staaten nicht, welche Instanz die Entscheidungen über solche Friedenseinsätze gegen Terroristen treffen soll. Und dass Chertoff dies offenlässt, ist der Haken, der solche Überlegungen dennoch als Utopie dastehen lässt.
    Es ist der Haken, den Völkerrechtler bei vielen Ideen, die aus dem Inneren der Supermacht stammen, erkennen: Auch Chertoffs Vorschlag läuft darauf hinaus, dass es letztlich nur eine Instanz gibt, die weltweit Frieden durch Recht schaffen kann - und das ist die Supermacht, der er eben noch dienen durfte. Die Pax Americana scheint ohne Alternative zu sein. So war es ja auch beim großen Freudengeheul über die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs - die Amerikaner jubelten nicht mit. Sie weigerten sich nicht nur, den Vertrag zu ratifizieren, sie schufen sogar ein Gesetz, das den amerikanischen Präsidenten ermächtigte, jeden US-Bürger, der im internationalen Knast von Scheweningen an der Nordsee landen würde, mit Waffengewalt zu befreien. Den Invasion Act nennen sie diese amerikanische
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