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Der Gipfel

Der Gipfel

Titel: Der Gipfel
Autoren: Anatoli Boukreev , G. Weston DeWalt
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der Bedingung ein, daß er für seine Unkosten und seinen Anteil an der von der nepalesischen Regierung geforderten Genehmigungsgebühr selbst aufkam. Seit dem Zerfall der Sowjetunion war es mit der großzügigen staatlichen Förderung vorbei, doch Boukreev nahm ungeachtet seiner beschränkten Mittel das Angebot an.
    Da die Georgier befürchteten, Boukreevs Teilnahme könne falsch ausgelegt werden und einen eventuellen Teamsieg beeinträchtigen, kam man überein, daß Boukreev bis knapp unter den Gipfel mit ihnen klettern sollte, um das letzte Stück dann im Alleingang zurückzulegen. Für den Fall des Gipfelsieges sollte der Eindruck vermieden werden, die Georgier hätten sich auf die Erfahrung eines Russen gestützt, zumal eines in Kasachstan lebenden. Es war dabei nicht so sehr Konkurrenzdenken zwischen den Teilnehmern im Spiel (unter Höhenbergsteigern weitverbreitet), als vielmehr Nationalstolz und Politik.
    Am 8. Oktober 1995 bezwang Boukreev den Dhaulagiri im Alleingang und ohne künstlichen Sauerstoff und stellte unbeabsichtigt einen Geschwindigkeitsrekord für den Aufstieg auf: siebzehn Stunden und fünfzehn Minuten.
    Nach der Rückkehr nach Kathmandu am 20. Oktober machte sich Boukreev unverzüglich an die Arbeit. Er hielt Ausschau nach einer Anstellung als Bergführer und verhandelte mit Henry Todd von Himalayan Guides, der ihm mündlich einen Job angeboten hatte. Im Mai 1995 hatte Boukreev Todds Expedition erfolgreich über die Nordroute des Everest geführt, während Todd wegen einer Rückenverletzung im Basislager bleiben mußte. Nach Boukreevs Erfolg war Todd sehr daran interessiert, sich seine Mitarbeit für die Saison 1966 zu sichern, da Todd eine Everest-Expedition auf der beliebtesten Aufstiegsroute von Süden über den Südostgrat plante.
    Ich kam eben vom Frühstück und ging durch eine schmale Seitenstraße des Thamel-Bezirkes, in der Totalstau herrschte. In dem Durcheinander von Rikschas, Fahrradtaxis, Lastern und Pkw hörte ich jemanden meinen Namen rufen, und aus einem der Autos winkte man mir zu, ich solle näherkommen. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich einige meiner Klettergefährten aus Alma-Ata. Sie kamen eben vom Flughafen und waren völlig aus dem Häuschen. Irgendwie war die Manaslu-Expedition doch zustandegekommen; jemand hatte das nötige Geld zusammengekratzt. Nun wollte man den Aufstieg im Dezember 1995 anstatt im darauffolgenden Frühjahr in Angriff nehmen. Das war aus zweierlei Gründen eine gute Nachricht. Erstens würde eine Expedition starten. Zweitens würde ich damit im Frühjahr bei der Suche nach einem Führer-Job flexibler sein.
    Ein paar Tage später lief ich Scott über den Weg. In einer schmalen Nebenstraße sah ich ihn unweit des Skala die Marktstände durchstöbern. Das Skala ist ein Gästehaus im Sherpa-Besitz, in dem ich wohnte. Da ich glaubte, er würde mich vielleicht nicht mehr erkennen, tippte ich ihm auf die Schulter und fragte ihn, was in Amerika los sei. Er erkannte mich sofort und begrüßte mich lächelnd.
    »Hi, Anatoli. Wie geht’s immer? Hast du Zeit für ein Bier?« Wir entdeckten ein Restaurant unweit des Ministeriums für Touristik, in dem er später einen Termin hatte, und wir erzählten einander, was wir seit unserer letzten Begegnung getrieben hatten. Scott berichtete, daß er von Pakistan aus erfolgreich eine Expedition auf den Broad Peak (8047 Meter) geführt hätte und daß er mitten in den Genehmigungsverhandlungen für den Everest steckte. Die Genehmigungspolitik sei unerhört, sagte er, und vor allem die Preise! »Fünfzigtausend für fünf Teilnehmer, zehntausend für jeden zusätzlichen! Unglaublich.« Er sagte, fünf Teilnehmer hätten schon unterschrieben, und es sähe aus, als wäre die Sache gelaufen, wenn er nur die Genehmigung bekäme.
    Fischer betrieb das Falschspiel, das am Everest nötig war. Er hatte seine Everest-Expedition angekündigt, ohne eine Genehmigung in der Hand zu haben – unter kommerziellen Expeditionsveranstaltern kein ungewöhnliches Vorgehen. Karen Dickinson schilderte die Situation folgendermaßen: »Wir alle schwitzten Blut. Als wir im Jahr zuvor raufwollten (auf den Everest), bekamen wir keine Genehmigung und entschieden uns, alles abzublasen. Natürlich bekamen wir sie dann doch, aber für Ende Januar, und schrien laut: ›He, das ist jetzt zu spät!‹ Unsere Konkurrenz, die samt und sonders gelogen und gesagt hatte, sie hätte Genehmigungen, obwohl es nicht der Fall war, konnte ihre Expeditionen
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