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Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)

Titel: Der Geschmack von Sommerregen (German Edition)
Autoren: Julie Leuze
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mein Fels in der Brandung ist.
    Ich komme!, schreibe ich und fühle mich so ermutigt, dass ich sogar einen Blick über die Schulter riskiere, geradewegs in Mattis’ schöne, braune Augen hinein.
    Er lächelt mich an.
    Und diesmal sind beide Mundwinkel daran beteiligt.

Fünf
    Ausgerüstet mit Pinzette, einer kleinen Tube Spezialgel, einem Augenbrauenstift und einer Tasse mit Eiswürfeln sitzen wir in Lenas Zimmer.
    »Ich habe mich im Internet informiert«, sagt Lena mit Kennermiene. »Brauen wie deine sollten gar nicht groß verändert, sondern nur an den richtigen Stellen in Form gezupft werden.«
    »Aha«, gebe ich zweifelnd zurück, während ich mich frage, ob das Zupfen wohl sehr wehtut. »Und welche sind die richtigen Stellen?«
    Lena greift nach dem Augenbrauenstift und hält ihn mir senkrecht an die Nasenflügel, erst rechts, dann links.
    »Alle Härchen zwischen Stift und Nasenwurzel müssen weg«, sagt sie bestimmt.
    Ich nicke unbehaglich. Lena befiehlt mir, die Augen zu schließen, und spannt meine Haut mit zwei Fingern. Zack, rupft sie das erste Härchen aus. Ich zucke zusammen, ein fieses Senfgelb blitzt auf meinem inneren Monitor auf.
    »Weh tut es nur am Anfang«, tröstet Lena mich. »Wenn du das regelmäßig machst, gewöhnt sich deine Haut daran. Hab ich jedenfalls gelesen.«
    Zack. Zack. Zack. Zack. Lena wirkt nicht so, als sei sie bald fertig, doch ich habe bereits mehr als genug. Die Farbe potenziert den Schmerz, macht unerträglich, was ansonsten ganz gut auszuhalten wäre. Glaube ich zumindest, denn Emotionen ohne Farben kenne ich ja nicht.
    »Stopp, Lena.« Ich öffne die Augen, hebe abwehrend die Hände. »Den Rest bändigen wir meinetwegen mit diesem komischen Gel. Anmalen darfst du mich auch. Aber hör auf, mich zu quälen, das ist …« – so widerlich gelb, will ich sagen, schlucke es aber im letzten Moment herunter – »… total unangenehm.«
    Lena lässt brav die Pinzette sinken, und ich schäme mich, weil sie mich für schrecklich wehleidig halten muss. Ich greife nach dem Handspiegel und betrachte das Ergebnis der Quälerei. Die Lücke zwischen meinen Augenbrauen ist ein bisschen größer geworden, dafür aber knallrot.
    »Du musst es mit Eis kühlen, steht auf gofeminin «, sagt Lena und reicht mir die Tasse. »Dann ist die Rötung in ein paar Stunden weg.«
    Ich verziehe das Gesicht. »Und was sag ich meinen Eltern beim Abendessen, warum ich mir das angetan habe?«
    Noch nie habe ich mich etwas Schmerzhaftem unterzogen, um besser auszusehen. Meine Mutter wird sofort vermuten, dass ein Junge dahintersteckt, und auf ihre neugierigen Fragen habe ich so wenig Lust wie auf Eiterpickel.
    »Sag ihnen doch, du wolltest deine Tapferkeit trainieren.« Lena kichert. »Damit du bei dem XXL -Tattoo, das du dir nächste Woche stechen lassen wirst, nicht in Tränen ausbrichst.«
    Ich muss lachen. Zwar habe ich keineswegs vor, mir ein Tattoo stechen zu lassen, weder ein großes noch ein kleines. Aber die Vorstellung, wie meinem konservativen Vater am Abendbrottisch vor Schreck die Gabel aus der Hand fällt, ist so komisch, dass es das fast wert wäre.
    Während ich mir den Eiswürfel auf die Haut drücke und Lena sich mit Bürstchen, Gel und Brauenstift an mir zu schaffen macht, fragt sie neugierig: »Und? Wie lange bist du schon in Mattis verknallt?«
    Der abrupte Themenwechsel überrumpelt mich, und ich antworte nicht sofort. Verknallt, das trifft es überhaupt nicht.
    Aber welches Wort trifft es dann?
    Wie soll ich Lena klarmachen, dass ich mich bei Mattis so verwirrend anders fühle? Dass ich ihn nur anschauen muss, nur in seiner Nähe stehen, nur an seinen Mund denken, um von Farben und Empfindungen überrollt zu werden? Die Wellen, das Glitzern, diese blaugoldene Überflutung mit dem sanften Hauch von neugierigem Schwarz – das alles darf ich schließlich nicht erwähnen.
    Also beschränke ich mich auf ein verlegenes: »Hab’s dir doch in der Schule geschrieben.«
    »Das mit der Liebe auf den ersten Blick.« Lena lächelt. »Das ist so süß, Sophie. Aber ehrlich gesagt, ich kann es gar nicht nachvollziehen. Bei mir kommt die Verliebtheit immer so nach und nach, wie bei Leon. Jetzt ist sie da, aber es hat ganz schön lange gedauert, das weißt du ja. Ich dachte immer, den berühmten Blitzschlag der Liebe gibt’s nur im Film.«
    Tja, das dachte ich bis vor Kurzem auch. Seufzend sage ich: »Im Film kriegen sie sich aber zum Schluss, und das ist der Unterschied zur Realität. Ich werde
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