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Der Gesang des Wasserfalls

Der Gesang des Wasserfalls

Titel: Der Gesang des Wasserfalls
Autoren: Di Morrissey
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Preis ist heiß, wie sie im Fernsehen sagen.«
    Madi lachte kurz auf. In gewissem Sinne kam ihr das alles wie eine Fernsehshow vor, wie eins dieser bissigen englischen Politikdramen über den fast obszönen Gebrauch und Missbrauch von Macht. »Ich glaube, es wird Zeit, weiterzuziehen, Matt«, sagte sie traurig und resigniert.
    Er lächelte sanft. »Du hast dich wirklich verändert, Madi. Es fällt mir schwer, dich mir weiterhin als meine kleine Schwester vorzustellen. Ich bin sehr stolz darauf, wie du dich auf dieses Land, diese Menschen eingelassen hast, wie du versucht hast, ihnen zu helfen. Du bist schon ein tolles Mädchen! Kannst einen manchmal ganz schön wütend machen. Aber ich weiß, dass niemand mehr auf dir herumtrampeln wird. Guyana hat dich für immer verändert.«
    Madi umarmte ihn. »O Matty, ich werde immer deine kleine Schwester bleiben … Mir ist jetzt klar, was für ein besonderer und wichtiger Mensch du für mich bist. Danke, dass du es mit mir ausgehalten hast.«
    »Ich hoffe, du wirst nie verlieren, was dich so liebenswert macht.«
    Matthew wurde plötzlich bewusst, was für ein außergewöhnlicher Mensch sie war. Falls sie Connor heiratete, dann wäre Bain ein glücklicher Mann. Und Matthew fragte sich, ob er wohl je eine Frau wie Madi finden würde.
     
    Madi hatte die Arme um die Knie geschlungen und starrte auf den großen, mit Vicotoria-Regina-Wasserrosen gefüllten Teich. Die hohen, rosafarbenen Lotosblüten nickten mit ihren königlichen Köpfen. Je länger Madi sie betrachtete, desto mehr erschienen sie ihr wie Leute, die auf einer äußerst vornehmen Cocktailparty miteinander plauderten, ein Kopf schien sich leicht zu neigen, ein anderer nickte, ein weiterer wurde lachend zurückgeworfen. Der Gedanke amüsierte sie. Doch dann kräuselte sich die glatte Wasseroberfläche, als ein großer schwarzer Kopf zwischen den riesigen grünen Blättern auftauchte. Madi beugte sich vor und sah zu, wie der Dugong langsam zum anderen Ufer schwamm, bevor er wieder abtauchte, um nach frischen Gräsern und Wurzeln zu suchen.
    Madi lehnte sich gegen den knorrigen Baum zurück, auf dem blühende Orchideen und Bromelien mit langen Luftwurzeln wuchsen. Alles um sie herum wirkte so friedlich. Doch nicht weit entfernt hatten ganze Menschentrauben den Bretterzaun um das Kricketfeld erklettert. Andere saßen auf Bäumen und eng gedrängt auf den Tribünen, brüllten und feuerten die Guyaner gegen Barbados an. Als ein weiteres Wicket fiel, stand Madi auf und ging durch den verlassenen Park zu Connors Auto.
    Ihre private Rundfahrt durch Georgetown war beendet. Sie war durch die Stadt gefahren, hatte sich noch einmal den Erinnerungen hingegeben, die sie an so vielen Orten überkamen. Der
Blaue Tukan
, der Indioladen, der Bourda-Markt, die große Stabroek-Markthalle, die Guyana Stores, die Buchhandlung, das Pfeffertopf-Café, das Pessaro Hotel, der Georgetown Club und der Embassy Club, das Haus von Lady Annabels Vater, die kleinen Brücken über die mit Lotosblumen bewachsenen Abwasserkanäle, die einfachen Tempel und Häuser, die großen alten Villen, die fernen Zuckerrohrfelder.
    So viel war in so kurzer Zeit hier mit ihr geschehen. War es so bedeutsam, nur weil es anders war? Oder war dieses kleine Land am seitlichen Rand der großen südamerikanischen Lammkeule zu einem Meilenstein in ihrem Leben geworden? Wenn sie Matthew nun zum Beispiel in Griechenland oder Bahrain besucht hätte, wäre dann die Wirkung auf sie die gleiche gewesen?
    Sie dachte an die Flüsse, die Regenwälder, die Savannen, die majestätischen Wasserfälle, die sanften Waldmenschen, ihre warmherzigen, stets zum Lachen bereiten Freunde von der Küste, und wusste, dass das hier etwas Besonderes war. Sie berührte den kleinen Frosch an ihrem Hals und dachte an die winzigen Goldfrösche in ihrem grünen Zuhause am Rande des Kaieteur. Sie symbolisierten dieses Land … wunderschön, selten und gefährdet. Solange die Frösche dort oben in der sauberen Luft und dem Sonnenschein sangen, war die Welt in Ordnung.
    Trotz der Gefahren, denen sie ausgesetzt gewesen war, hatte sie nur glückliche Erinnerungen an Guyana. Sie hatte ihre Stärken entdeckt und war zu sich gekommen. Was auch immer ihr jetzt entgegenschlagen mochte, sie war nun besser gerüstet, damit fertig zu werden.
    Sie hatte eine neue Beziehung zu ihrem Bruder entwickelt. Er betrachtete sie jetzt als intelligente und unabhängige Frau. Er respektierte und liebte sie.
    Und in diesem Land
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