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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes
Autoren: Christoph Lode
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Seille und Mosel. Raoul und Jacques waren Ritter von Herzog Friedrich II. von Metz, aber seit Raouls Ritterschlag vor zehn Jahren hatte er sein Schwert nicht mehr in den Dienst seines Lehnsherren stellen müssen. Zum einen war das Herzogtum von größeren Kriegen verschont geblieben, zum
anderen waren die Bazerats zwar treue, aber unbedeutende Vasallen.
    Als Raoul und das Mädchen die Treppe herabstiegen, waren die anderen Bewohner des Landguts schon lange auf den Beinen. François, der älteste der Waffenknechte, hob gerade das Vorderbein eines Pferdes hoch. Es lahmte seit einigen Tagen. Jacques untersuchte den Huf nach Ursachen. Die anderen Soldaten und die Mägde und Knechte warteten am Tor. Sie wollten zum Dorf, um dort die Sonntagsmesse zu hören.
    Raoul küsste das Mädchen zum Abschied. Es sollte ein flüchtiger Kuss werden, aber das Mädchen vergrub seine Hand in seinem Haar und schob ihm die Zunge in den Mund, sodass sich die Angelegenheit länger hinzog als beabsichtigt. Schließlich löste er sich von ihm. »Jetzt geh«, sagte er lächelnd. »Ich will nicht warten, bis dich deine Brüder mit Gewalt holen kommen.«
    »Bis heute Abend«, flüsterte es ihm zu, dann entfernte es sich mit wiegenden Hüften. Raoul war nicht entgangen, dass die Gruppe am Tor zu ihnen gesehen hatte. Gut, sie sollten ihren Spaß haben. Er tat, als starre er dem Mädchen auf den Hintern, schloss die Augen und ließ sich nach hinten in einen Haufen Heu fallen, was bei den Knechten Gelächter und anzügliche Bemerkungen hervorrief. Raoul lachte ebenfalls, dann wischte er sich das Heu von der Kleidung und ging zu Jacques.
    Sein Bruder hatte François das Pferd zurück in den Stall bringen lassen und sprach mit Jean, seinem jüngsten Sohn. Der Sechsjährige hielt den Bogen in den Händen, den Raoul für ihn gemacht hatte. Er schoss damit auf alles, das ihm in die Quere kam - Steine, Vögel, streunende Katzen -, und war bereits erstaunlich treffsicher. Raoul liebte ihn und Gerard wie seine eigenen Söhne. Gerard diente als Page am Hof in Metz und kam nur an Weihnachten und Ostern nach Bazerat oder wenn der Herzog mit seinem Gefolge nach Nancy zog. Er geriet ganz nach seinem Vater: genauso ernst und pflichtbewusst, weshalb
er oft für zwölf oder dreizehn gehalten wurde, obwohl er noch keine elf war. Jean würde erst nächsten Sommer Page werden, aber er redete schon jetzt von nichts anderem mehr. Mit seinem Temperament hielt er das ganze Anwesen auf Trab, und jede Art von Gefahr zog ihn magisch an. Die Tage im Jahr, an denen er keine aufgeschlagenen Knie und Ellbogen oder ein verschrammtes Gesicht hatte, waren die seltene Ausnahme.
    Als der Junge ihn entdeckte, schrie er »Onkel Raoul!« und stürmte auf ihn zu. Raoul riss Jean hoch in die Luft und nahm ihn auf den Arm.
    »Beim heiligen Kreuz, du wirst schwer, kleiner Meisterschütze. Dein Onkel kann dich bald nicht mehr tragen.«
    »Gehst du heute jagen, Onkel Raoul? Nimmst du mich wieder mit?«
    »Mal sehen … Hast du mit dem Bogen geübt, wie ich es dir gesagt habe? Ich kann keinen Gehilfen gebrauchen, der nichts vom Bogenschießen versteht.«
    »Ich übe jeden Tag!«, verkündete der Junge. »Ich treffe das Auge auf zehn Schritt!«
    »Sehr gut«, sagte Raoul und setzte Jean ab. »Wenn das so ist, darfst du mitkommen.«
    Jean brach in wilden Jubel aus, der allerdings nur so lange währte, bis sein Vater sich zu ihnen gesellte. »Du kannst heute nicht auf die Jagd gehen«, sagte Jacques. »Deine Mutter möchte, dass du Sachen für den Sommer anprobierst. Geh zu ihr. Sie wartet schon.«
    Der Junge murrte über diese Eröffnung, doch dann begriff er, dass es seinem Vater ernst war, und stapfte missmutig davon. Raoul war der Meinung, dass Jacques zu streng mit Jean umsprang. Sie stritten oft deswegen, doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, wieder damit anzufangen. Zwar sah Jacques streitlustig aus, aber offensichtlich aus anderen Gründen.
    »Wer war dieses Mädchen?«, fragte er.
    »Ein Mädchen aus dem Dorf. Es wohnt bei der Brücke.«

    »Hat es auch einen Namen?«
    »Margerit … nein, warte … Anne.« Raoul lachte. »Herrgott, Jacques, glaubst du, ich merke mir all die Namen? Verlang nicht das Unmögliche von mir.«
    Jacques konnte diesem Scherz nichts abgewinnen. »Du spielst mit diesen Mädchen, Raoul. Du brichst ihnen das Herz. Kümmert dich das nicht?«
    Sein schlechtes Gewissen regte sich erneut, und der Vorwurf traf ihn. »Ich spiele mit niemandem«, erwiderte Raoul
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