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Der Gelbe Nebel

Der Gelbe Nebel

Titel: Der Gelbe Nebel
Autoren: Alexander Wolkow
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so sanftmütig, daß er laut
mit den Füßen scharrte, wenn er über eine Wiese ging, damit Frösche und
Käfer und was sonst noch im Grase kroch und hüpfte seinen gewaltigen
Stiefeln rechtzeitig ausweichen konnten. Hurrikap kam der Gedanke,
Arachna für lange Zeit einzuschläfern. Er blätterte im Buch der
Beschwörungen und fand dort, daß der längste Zauberschlaf, den er über
die böse Frau bringen konnte, fünftausend Jahre dauern würde.
„Das wird wohl reichen“, murmelte er nachdenklich. „Vielleicht langt auch
diese Zeit, damit sie sich’s abgewöhnt, Böses zu tun… Da steht aber
geschrieben, daß ich alle meine Willenskraft aufbieten muß, um Erfolg zu
haben, vor allen Dingen aber, daß ich mich neben ihr befinden muß, wenn
ich die Beschwörung ausspreche. Wie schaffe ich das nur?…“
Seine Kundschafter, die Vögel und anderen Tiere, sagten ihm, Arachna sei
gegen Überraschungen gefeit, denn um sie trieben sich ständig Zwerge
herum, die sie vor jeder Gefahr warnten. Außerdem könne die Hexe jede
Gestalt annehmen, die sie wolle. Sie könne sich in einen Fuchs oder eine
Eule, in einen blühenden Apfelbaum oder einen trocknen Baumstumpf
verwandeln. Deshalb sei es ungeheuer schwer, sie zu fangen.
Hurrikap bereitete sich sorgfältig auf die Ausführung seines Plans vor. Er
lernte die lange furchtbare Beschwörung auswendig, um sich im gegebenen
Augenblick nicht ablenken zu lassen und nicht lange im Zauberbuch
suchen zu müssen. Dann rief er alle Tiere des Waldes zu Hilfe. Diese
folgten gern seinem Ruf, denn Arachna hatte ihnen viel Böses zugefügt,
und sie wünschten nichts sehnlicher, als die Hexe loszuwerden.
Zur festgelegten Zeit umringten unzählige Tiere die Höhle Arachnas. Da
waren Bisons und Auerochsen, Löwen, Hyänen, Schakale, Wölfe, Dachse
und Hasen, Mäuse und Ratten. In den Zweigen hüpften Beutelratten,
Marder und Eichhörnchen, in der Luft kreisten Schwärme von Adlern,
Kondoren und Habichten; Elstern schwatzten, Raben krächzten, und
schnelle Schwalben schossen hin und her…
Lärm und Geschnatter erfüllte die Luft. Drohend bewegten sich die Tiere
auf die Höhle Arachnas zu und kreisten sie ein. Vornean schritt der Riese
mit flatterndem Haar und zornfunkelnden Augen. Mit einer Donnerstimme,
die den Lärm seiner Kriegsschar übertönte, rief Hurrikap:
„Komm heraus, Arachna! Du sollst dich jetzt für deine Verbrechen
verantworten!“
Das Herz der Hexe erbebte vor Schreck. Zuerst dachte sie, es sei besser,
sich nicht von der Stelle zu rühren, doch dann fiel ihr ein, daß sie in der
Höhle leichter zu fangen sei als draußen. Im nächsten Augenblick flog ein
Adler heraus, der in der Menge der Adler vor der Höhle unterzutauchen
versuchte. Das gelang ihm jedoch nicht, denn diese Vögel waren sehr
wachsam, und sie fielen mit ihren Krallen und Flügeln über den
Eindringling her. Da verwandelte sich die Hexe in eine Schwalbe und
versuchte, sich in der Schar der umherfliegenden Schwalben zu verbergen.
Aber auch diese ließen es nicht an Wachsamkeit fehlen und jagten die
Betrügerin fort. Arachna gab nicht auf. Unter den zahlreichen Mäusen, die
wie ein Teppich die Erde bedeckten, tauchte plötzlich eine neue auf, vielleicht die hunderttausendste. Doch im nächsten Augenblick wurde sie von
einer Wildkatze gepackt, die sie mit ihren Krallen festhielt und mit einer
Stimme, die sich vor Freude fast überschlug, miaute:
„Da ist sie, Herr! Ich halte sie!“ Blitzschnell sank Hurrikap, dem die Mäuse
Platz machten, auf die Knie und sprach die Beschwörung aus.
Das Wunder geschah! Wo eben noch die kleine Maus war, lag jetzt die
riesige Hexe. Ein tiefer Schlaf hatte sie erfaßt, aus dem sie erst in fünfzig
Jahrhunderten erwachen sollte. Der Riese dankte den Tieren für ihre Hilfe,
und diese zogen sich schnell in ihre Wälder und auf ihre Felder zurück.
Als Hurrikap nachdenklich die Schlafende ansah, hörte er plötzlich eine
schwache Stimme. Er kniff die Augen zu, um besser zu sehen, und
gewahrte einen Zwerg auf der Brust der Hexe. Es war Antreno, ein
Männchen mit grauem Bart, das zu Hurrikap sagte:
„Mächtiger Herr! Du hast unsere Gebieterin eingeschläfert, und wir wagen
es nicht, deinen Willen zu bestreiten: Arachna hat wirklich viel Böses
getan. Doch zu uns war sie gut, und wir möchten nicht, daß Schakale und
Hyänen ihren Körper zerstückeln. Erlaube uns, sie in die Höhle zu tragen
und sie dort zu pflegen, bis der Tag kommt,
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