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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit
Autoren: Ellis Peters
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kann. Ich habe die Absicht, mein Versprechen zu halten. Richard bleibt in meiner Obhut, bis er das richtige Alter erreicht hat und seine Angelegenheiten selbst erledigen kann. Und ich bin sicher, daß Ihr ihm bis zu diesem Zeitpunkt ebenso dienen und für seine Ländereien sorgen werdet, wie Ihr seinem Vater gedient habt.«
    »Das will ich gewiß tun, Herr«, antwortete John von Longwood mit erheblich mehr Wärme, als er beim Vortrag der Botschaft seiner Herrin gezeigt hatte. »Seit der Schlacht von Lincoln hat mein Herr alle Angelegenheiten mir überlassen, und er fand nie etwas an mir auszusetzen, und auch sein Sohn wird mir keine Pflichtvergessenheit vorwerfen können. Darauf könnt Ihr Euch verlassen.«
    »So sei es. Und deshalb können wir hier beruhigt fortfahren und uns um Richards Bildung und Wohlbefinden kümmern, wie Ihr Euch um sein Gut kümmert.«
    »Und welche Antwort darf ich der Frau Dionisia übermitteln?« fragte John ohne Anzeichen von Enttäuschung oder Mißbilligung.
    »Richtet eurer Herrin aus, daß ich ihr im Namen Christi meine ergebensten Grüße entbiete und daß Richard morgen, wie es sich geziemt, mit einer angemessenen Begleitung zum Begräbnis kommen wird«, sagte der Abt mit einem leicht warnenden Unterton. »Jedoch bindet mich der Wunsch seines Vaters, sein Vormund zu sein, bis er ein Mann ist, und ich werde dem Wunsch seines Vaters Folge leisten.«
    »Ich will es der Herrin sagen, Ehrwürdiger Vater«, erwiderte John mit großen Augen. Er verneigte sich tief und verließ anscheinend unbekümmert das Kapitelhaus.
    Als Bruder Cadfael und Bruder Edmund, der Krankenwärter, in den großen Hof traten, bestieg der Bote von Eaton gerade am Torhaus sein stämmiges walisisches Pony und ritt ohne Eile zur Vorstadt hinaus.
    »Da reitet ein Mann«, bemerkte Bruder Cadfael weise, »der, wenn ich mich nicht sehr irre, keineswegs über die unverblümte Ablehnung der Bitte seiner Herrin enttäuscht ist. Und er scheint keine Angst zu haben, die Botschaft zu überbringen. Man könnte fast glauben, daß er sich darüber freut.«
    »Er ist nicht vom guten Willen der Dame abhängig«, sagte Bruder Edmund. »Nur der Sheriff als Vertreter des Königs kann seine Stellung gefährden, solange der Junge noch kein Mann ist, und John weiß, was er selbst wert ist. Und das weiß die Dame sicher auch, denn sie hat einen klugen Kopf und weiß einen guten Verwalter zu schätzen. Um des lieben Friedens willen überbrachte er ihre Bitte, doch er braucht dies nicht begeistert zu tun; es genügt, wenn er sich selbst heraushält.«
    Da John von Longwood in der Tat kein Freund vieler Worte war, würde es ihm sicher nicht schwerfallen, seine Mißbilligung zurückzuhalten und seiner Herrin ein steinernes Gesicht zu zeigen.
    »Doch die Angelegenheit ist damit nicht bereinigt«, warnte Cadfael. »Wenn sie mit gierigen Blicken nach Wroxeter und Leighton hinüberschielt, dann wird sie nicht so einfach aufgeben, und der Junge ist ihre einzige Möglichkeit, die Ländereien zu bekommen. Wir werden noch von Frau Dionisia Ludel hören.«
    Abt Radulfus hatte die Warnung ernst genommen. Der junge Richard wurde von Bruder Paul, Bruder Anselm und Bruder Cadfael nach Eaton begleitet, einer Leibwache, die Manns genug war, auch eine gewaltsame Entführung abzuwehren, wenn diese auch äußerst unwahrscheinlich schien. Es war weit wahrscheinlicher, daß sich die Dame der sanften Mittel wie Zuneigung und Blutsbande bedienen würde, um den Jungen mit Tränen und Schmeicheleien zu bearbeiten, bis er im Feindeslager ein heimwehkranker Verbündeter war. Wenn sie diese Absicht hatte, so überlegte Cadfael, während er Richards Gesicht unterwegs musterte, unterschätzte sie die unschuldige Verschlagenheit von Kindern. Der Junge war recht gut in der Lage, seine Interessen abzuwägen und das beste aus seinen Möglichkeiten zu machen. Er fühlte sich in der Schule wohl, er hatte gleichaltrige Gefährten, und er würde ein vertrautes und angenehmes Leben nicht ohne weiteres für ein fremdes aufgeben, in dem es keine Brüder gab und in dem ihm eine in seinen Augen viel zu alte Braut drohte. Zweifellos wußte er seine Erbschaft zu schätzen und sehnte sich danach, doch sie gehörte ihm so oder so, und ob in der Schule oder daheim, er würde sein Land doch nicht regieren können, wie er wünschte.
    Nein, es würde mehr als großmütterliche Tränen und Umarmungen brauchen, um Richard umzustimmen; ganz besonders, da die Tränen und Umarmungen von einem
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