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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit
Autoren: Ellis Peters
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Menschen kamen, der sich nie als übermäßig liebevoll erwiesen hatte.
    Es waren etwa sieben Meilen von der Abtei bis zum Gut von Eaton, und um das Kloster von St. Peter und St. Paul bei einem so feierlichen Anlaß würdig zu vertreten, waren die Mönche beritten. Frau Dionisia hatte einen Knecht mit einem stämmigen walisischen Pony für ihren Enkelsohn geschickt; vielleicht das erste Manöver in einem Feldzug, um ihn als Verbündeten zu gewinnen. Das Geschenk war mit großer Freude aufgenommen worden, aber es würde nicht unbedingt dazu führen, daß der Junge sich mit einer ähnlichen Freundlichkeit bedankte. Ein Geschenk ist ein Geschenk, und Kinder sind klug und besitzen ein scharfes Gespür für die Motive der Erwachsenen. Sie nehmen gern, was unverlangt geboten wird, ohne sich herabzulassen, dafür auf die Weise zu bezahlen, die von ihnen erwartet wird. Richard saß stolz und glücklich auf seinem neuen Pony und vergaß im schönen, taufeuchten Herbstmorgen, vom Schulunterricht befreit, beinahe den traurigen Anlaß des Rittes.
    Der Knecht, ein langbeiniger sechzehnjähriger Junge, hüpfte fröhlich neben ihm her und führte das Pony am Zügel, als sie durch die Furt bei Wroxeter platschten, wo vor Jahrhunderten die Römer den Severn überquert hatten. Nichts war von ihrem Vorstoß geblieben außer einer einsamen, zerbrochenen Mauer, die dunkel im grünen Feld stand; die Dörfler bedienten sich hier, wenn sie Steine für ihre Häuser brauchten. An der Stelle, an der einst eine Stadt und eine Festung gestanden haben sollen, breitete sich jetzt ein blühendes Landgut aus, gesegnet mit fruchtbarem, gutem Boden und einer aufstrebenden Kirche, die sich vier Diener leisten konnte.
    Cadfael betrachtete den Besitz mit einigem Interesse, als sie vorbeiritten, denn dies war eines der beiden Landgüter, die sich Frau Dionisia aneignen wollte, indem sie Richard mit Hiltrude Astley verheiratete. Ein so schöner Besitz war sicher eine große Versuchung. Er umfaßte einen weiten Landstrich auf der Nordseite des Flusses – üppige Feuchtwiesen und gewellte Felder, die sich hier und dort zu sanften Hügeln erhoben, besetzt mit Baumgruppen, die gerade ihren ersten herbstlich-goldenen Schimmer bekamen. Das Land verschmolz am Horizont mit dem Rand des Waldes, der zum Wrekin gehörte; das war ein großes, hügeliges Gebiet, das sich bergab bis zum Severn erstreckte. Eine dicke Strähne dieser dunklen Mähne drang bis ins Land der Ludels und in die Abteibesitzungen in Eyton am Severn vor. Zwischen dem Bauernhof von Eyton dicht am Fluß und Richard Ludels Haupthaus in Eaton lag kaum eine Meile. Sogar die Namen entstammten der gleichen Wurzel, wenn sie sich auch später unabhängig voneinander weiterentwickelt hatten; die normannische Vorliebe für Ordnung und saubere Aussprache hatte sich hier ausgewirkt.
    Als sie näher herankamen, wechselte auch ihr Ausblick auf den Stachelrücken des Waldes, und als sie dann das Gut erreichten, betrachteten sie den Wald von seinem spitz zulaufenden Ende aus. Der Hügel hatte sich jetzt in einen steilen Berg verwandelt, dessen nackte Flanken knapp unter dem Gipfel den Pelz aus Bäumen durchbrachen. Das Dorf lag still inmitten von Wiesen knapp unter den Vorbergen, das Herrenhaus und die Kapelle wurden von einem Palisadenzaun geschützt. Die Kirche war ursprünglich eine Außenstelle der Gemeinde von Leighton gewesen, die ein paar Meilen weiter flußab lag.
    Sie stiegen in der Umfriedung ab, und Bruder Paul nahm Richard fest an der Hand, sobald die Füße des Jungen den Boden berührten, denn Frau Dionisia kam mit wehenden Gewändern aus der Halle und die Treppe herunter, um sie zu begrüßen. Sie näherte sich im Bewußtsein ihrer Autorität dem Enkelsohn und beugte sich nieder, um ihn zu küssen. Richard hob ihr etwas unsicher sein Gesicht entgegen und ließ die Begrüßung über sich ergehen, doch er hielt Pauls Hand fest.
    Bei der einen Macht, die das Sorgerecht über ihn beanspruchte, wußte er, woran er war; bei der anderen nicht.
    Cadfael musterte die Dame interessiert. Ihr Ruf war ihm bekannt, doch er hatte sie noch nie gesehen. Dionisia war groß und aufrecht, höchstens fünfundfünfzig Jahre alt und bei bester Gesundheit. Sie war außerdem eine schöne Frau, wenn auch eine etwas beängstigende Erscheinung, mit scharfen, klaren Gesichtszügen und kühlen grauen Augen. Doch die Kühle wurde von einem warnenden, heißen Funken durchbrochen, als die Augen Richards Eskorte abschätzten und
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