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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos
Autoren: Thomas Finn
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Kellergewölbe, in dem es nach verschmorten Kabeln roch. Eine Neonröhre an der Decke summte und verbreitete unstetes Licht. Tobias sah sich verwirrt um. Rechts vom Eingang befand sich ein großer Sicherungskasten, an den übrigen Wänden standen Werkbänke, auf denen Bohrmaschinen, Lötkolben, Fräsen, Schraubenzieher und andere Werkzeuge neben Kabelrollen, Drähten und Platten aus verschiedenen Metallen lagen. Der einzige noch freie Raum zwischen all den Tischen wurde von einem Kleiderständer eingenommen, auf dem Theaterkostüme hingen. Tobias erblickte altertümliche Gehröcke und Hosen sowie eine Auswahl an Zylindern und Spazierstöcken.
    Mitten im Raum aber stand ein unförmiges großes Gebilde, das bis zur Decke reichte und zur Gänze von einem weißen Laken verhüllt wurde.
    »Du glaubst nicht, wie lange ich auf diesen Tag hingearbeitet habe«, murmelte der Alte aufgeregt und schlurfte zu dem verhüllten Objekt in der Raummitte. Feierlich griff er nach dem Laken, als er plötzlich innehielt. Besorgt wandte er sich um.
    »Du hast den Hebel doch dabei, oder?«
    Tobias starrte den Uhrmacher verwundert an. »Meinen Sie den seltsamen Kristallstab?«
    Er klopfte gegen die Auswölbung seiner Lederjacke.
    »Genau den meine ich, mein Junge. Ich wusste, dass der dich neugierig machen würde. Ohne ihn ist das Ganze nämlich nutzlos. Wie ich dir prophezeit habe – du kannst schon bald eine Reise antreten, die du dein Lebtag nicht vergessen wirst.«
    Der Uhrmacher zog den Stoff beiseite, und Tobias riss ungläubig die Augen auf.
    Vor ihm stand eine überaus seltsame Apparatur. Einzelne Teile waren aus Nickel, andere aus Elfenbein gefertigt; wieder andere hatte man offenbar aus Bergkristall herausgefeilt oder – gesägt. Die gesamte Maschine stand auf metallisch golden schimmernden Kufen. Tobias entdeckte einen mit Leder überzogenen Sattel, offenbar ein Sitz, hinter dem sich ein großer runder Parabolschirm spannte.
    »Meine Güte, was ist das?«
    »Eine Zeitmaschine!«
    »Eine was?«
    »Du hast richtig gehört, mein Junge«, antwortete der Uhrmacher aufgeregt. »Du setzt die Maschine in Gang, indem du den kristallenen Hebel hier vorn einsetzt.« Er deutete auf eine hölzerne Armatur vor dem Sitz, auf der sich diverse Anzeigen und Zählwerke befanden. »Bewegst du den Hebel nach vorn, reist du in die Zukunft, ziehst du ihn zu dir, bewegst du dich in die Vergangenheit. Ganz einfach. Man kann aber auch Jahr, Tag und genaue Stunde einstellen, indem man den gewünschten Zeitpunkt arretiert. Ich habe schon alles vorbereitet.«
    Tobias schüttelte ungläubig den Kopf. »Sind Sie übergeschnappt?«
    »Übergeschnappt?« fuhr ihn der Alte aufgebracht an. »Menschen sind für dieses Wunderwerk gestorben. Viele Menschen!«
    Der Student hielt inne und musterte den Uhrmacher kühl.
    »Wer sind Sie?«
    »Ich glaube kaum, dass das noch von Belang ist«, ertönte eine verärgerte Stimme in seinem Rücken. »Wenn hier jemand eine Reise antritt, dann bin ich das.«
    Tobias und der Uhrmacher fuhren erschrocken zur Treppe herum. Von ihnen unbemerkt hatte sich ein dunkelhaariger Mann Einlass in den Kellerraum verschafft. Der Fremde mochte um die Vierzig sein, trug einen zerschlissenen Trenchcoat und war auffallend hager. Sein Blick irrlichterte unentwegt zwischen Tobias und dem Alten hin und her. Erst jetzt bemerkte der Student die Pistole, die der Unbekannte in der Hand hielt.
    »Und jetzt her mit dem Hebel!«
    »Robert!« entfuhr es dem Uhrmacher. »Was tust du hier? Das … das kannst du nicht machen. Erst der Junge!«
    »Halt’s Maul! Denkst du, ich opfere dir zehn Jahre meines Lebens, nur damit dieser Bengel die Früchte meiner Arbeit erntet?«
    »Du kannst die Zeit nicht betrügen. Der Junge wird die Reise antreten.«
    »Warum sollte ich das zulassen?« höhnte der Fremde.
    »Weil die Vergangenheit bereits Vergangenheit ist.«
    »Vergangenheit?« Der Unbekannte bleckte spöttisch die Zähne. »Wahrhaftig, du bist immer noch der kleine Beamte, der du einst warst. Glaubst du, ich hätte dir mein Wissen zur Verfügung gestellt, wenn ich an der Vergangenheit interessiert wäre? Wo wärst du ohne mein Labor?«
    »Die Firma gehört zu fünfzig Prozent mir«, gab der Uhrmacher zornig zurück.
    »Was du nicht sagst! Denkst du, ich wüsste nicht, wie du dir damals dein Kapital erschlichen hast? Also spiel hier nicht den Moralapostel. Ich verlange das gleiche Recht, das du dir genommen hast.«
    »Recht? Zuerst muss die Vergangenheit zu ihrem
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