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Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)

Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)

Titel: Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
Autoren: Brad Meltzer
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habe ihn!«, erwiderte Marshall, rückte seine dicke Brille zurecht und schob den Rollstuhl zum Bordstein. In zwanzig Jahren würde jede Straße mit einem tiefer gelegten Bordstein ausgestattet sein, und Rollstühle wogen dann kaum mehr als sechs Kilogramm. An diesem Tag in Sagamore, Wisconsin, jedoch waren die Bordsteine noch hoch, und Rollstühle wogen mehr als fünfundzwanzig Kilo.
    Marshalls Vater hielt die Reifen fest und lehnte sich zurück, sodass der Rollstuhl nach hinten kippte.
    Marshall hatte die Handgriffe des Rollstuhls gepackt und setzte die Vorderräder auf den Bordstein. Jetzt kam der schwerere Teil. Marshall war nicht besonders kräftig, und er war übergewichtig, aber er wusste, was er tun musste. Er legte seine Handflächen unter die Griffe, schob den Stuhl nach vorn und hob sie an, wobei er die Zähne zusammenbiss. Sein Vater drehte an den Rädern, versuchte, ihm zu helfen. Marshalls Handflächen wurden rot, und wo die Griffe sich indie Haut gruben, bildeten sich kleine weiße Inseln. Sie mussten beide all ihre Kraft zusammennehmen.
    Es klappte.
    Kein Problem. Es war ein Kinderspiel, sobald sie erst den Bordstein überwunden hatten.
    »Galaktisch«, brummte Marshall.
    Als jetzt sein Vater vor ihm über den Bordstein rollte, fehlte ihnen eine genaue Vorstellung, wohin sie eigentlich gehen wollten. Sein Vater hatte einfach nur ein bisschen nach draußen gewollt, um über die Dickinson Street zu bummeln, vielleicht ein Eiersandwich bei Danzas zu essen und einen Abstecher zu Farris’ Buchladen zu machen. Das alles änderte sich jedoch, als Marshalls Vater sagte: »Ich muss mal.«
    »Was meinst du?«, erkundigte sich Marshall. »Was musst du?«
    »Ich muss mal«, sagte er und deutete nach unten. Es war die plötzliche Panik in der Stimme seines Vaters, die Marshall klarmachte, was er meinte.
    »Du musst pupsen?«, erkundigte sich Marshall.
    »Nein! Ich muss pinkeln!«
    »Aber hast du denn dafür nicht …?« Marshall machte eine Pause und spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. »Sind denn dafür nicht die Beutel  …?« Er tippte an seinen eigenen linken Schenkel, zeigte jedoch auf den Beinbeutel, den sein Vater trug, um dort hineinzuurinieren.
    »Er ist gerissen«, sagte sein Vater, während er sich auf der menschenleeren Straße umsah und trotzdem versuchte, seine Stimme zu dämpfen. »Der Beutel ist gerissen.«
    »Wie konnte er reißen? Wir haben noch nicht einmal …« Marshall verstummte und warf einen Blick zurück zu ihrem Wagen. »Du hast ihn zerrissen, als du ausgestiegen bist, richtig?«
    Er lief rasch hinter seinen Dad und packte die Griffe. »Wir fahren schnell zum Wagen zurück und dann sofort nach Hause …«
    »Ich schaffe es nicht bis nach Hause.«
    Marshall erstarrte. »Was?«
    Sein Vater stoppte den Rollstuhl, hielt den Kopf gesenkt und den Rücken seinem Sohn zugekehrt. Es kostete ihn sichtlich ungeheureÜberwindung, die Worte auszusprechen, und er würde sie nicht wiederholen. »Ich schaffe es nicht, Marshall. Es wird ein Missgeschick passieren.«
    Marshall klappte den Mund auf, aber kein Wort drang heraus. Fast sein ganzes Leben lang war er wegen des Rollstuhls immer auf Augenhöhe mit seinem Vater gewesen. Das hatte er niemals bemerkt, bis zu diesem Moment. »Ich helfe dir, Dad.« Marshall packte die Griffe, drehte den Rollstuhl herum und schob ihn so schnell er konnte über den Bürgersteig. Der nächstgelegene Laden war Lesters Modegeschäft.
    Sein Vater blieb stumm. Aber Marshall sah, wie er unbehaglich auf seinem Sitz hin und her rutschte.
    »Wir sind fast da«, versprach Marshall. Er schob so schnell er konnte und hatte den Kopf gesenkt wie ein angreifender Bulle.
    Es knallte, als der Rahmen des Rollstuhls mit der Betonstufe kollidierte.
    » Ich brauche Hilfe! Machen Sie auf!« , schrie Marshall und hämmerte mit der Faust gegen die Glastür von Lesters Geschäft. Die kleine Glocke, die das Eintreten eines Kunden verkündete, bimmelte leise.
    »Dad, zurückkippen!«, schrie Marshall, und sein Dad kippte den Stuhl zurück. Eine Angestellte, eine etwa dreißigjährige Frau mit schlechten Zähnen und glattem braunen Haar, öffnete die Tür.
    »Das ist ein Notfall! Packen Sie die Vorderseite des Rollstuhls!«, schrie Marshall die Frau an, die sich gehorsam bückte. Er rammte seine Handflächen unter die Griffe. »Auf C …«, fuhr er fort. »A … B …«
    Es knirschte, als die Hinterreifen des Rollstuhls die erste Stufe überwanden und gegen die zweite
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