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Der Fruehe Vogel Kann Mich Mal

Der Fruehe Vogel Kann Mich Mal

Titel: Der Fruehe Vogel Kann Mich Mal
Autoren: Bettina Hennig
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lassen und finde dann erst in Laufe des Tages zu meiner Hochform. Deshalb setze ich mich mit meiner B-Society für Flexibilität und Toleranz in der Arbeitswelt ein.«
    Doch wie kommt es, dass ausgerechnet jemand, der nie unter den Qualen des Frühaufstehens gelitten, in der Schule deswegen nie Schelte eingefahren hat oder dem nie in den Morgenstunden der Kopf auf die Tischplatte gesunken ist, sich für die Interessen von Langschläfern einsetzt? Für Camilla Kring ist die Antwort einfach: »Weil es notwendig ist. Rund 25 Prozent der Menschen sind Langschläfer bzw. B-Typen und nur rund 15 Prozent A-Typen bzw. Frühaufsteher. Der Rest tendiert zum B-Typus, auch wenn er sich durchaus anpassen kann. Im Umkehrschluss heißt das: Für 85 Prozent der Menschen ist eine Arbeitswelt, die auf Frühaufsteher zugeschnitten ist, nicht optimal. Im Gegenteil: Die Arbeitswelt und das ideologische Fundament des frühen Vogels basiert auf dem Biorhythmus einer Minderheit und verschaffen dieser Vorteile, während das Potential einer Mehrheit nicht genutzt wird. Auf Dauer kann sich keine Gesellschaft leisten, diese Kräfte ungenutzt zu lassen. Deshalb brauchen wir eine B-Society.« Eine Gesellschaftsform, die integriert, anstatt bestimmte Lebens- und Familienformen auszugrenzen und zu diffamieren. »Ich möchte eine Gesellschaft schaffen, die Alternativen zum herkömmlichen Rhythmus ›Früh zur Arbeit, früh wieder nach Hause gehen‹ ermöglicht und andere Bedürfnisse und biologische Dispositionen gelten lässt. Diese Zeitstrukturen sind keine unantastbaren Gesetze, sie müssen hinterfragt werden und durch neue, angemessene Zeitstrukturen ersetzt werden, die Differenzen integrieren.«
    Darauf, dass veraltete Strukturen vorherrschen und von Nutznießern manifestiert werden, stieß Kring bei den Recherchen zu ihrer Doktorarbeit. »Ich habe mich darin mit der sogenannten Work-Life-Balance auseinandergesetzt und erforscht, wie man das Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben ausgeglichen gestalten kann.«
    Als Ingenieurin ist Camilla Kring eine pragmatische Herangehensweise gewohnt. In ihren Augen hat unsere Gesellschaft folgende Probleme zu meistern:
    Problem 1: Wir leben in einer A-Society
     
    »Wenn ich sage: ›Wir leben in einer A-Society‹, bedeutet das: Es wird eine Arbeitsform begünstigt, die zwischen 8 und 16 Uhr stattfindet und durch ihre soziale Binnenstruktur manifestiert. Und daran anknüpfend eben nur eine Familienform. Der A-Typ wird durch die Institutionen und die infrastrukturelle Organisation unserer westeuropäischen Gesellschaft unterstützt. Kindergärten, Schulen, überhaupt das gesamte Erziehungs- und Bildungssystem, aber auch die Organisation unserer Arbeitswelt sind auf die Bedürfnisse von A-Typen abgestimmt. Ideologisch sind A-Typen ebenfalls im Vorteil. Es gilt in unserer Gesellschaft als gut, früh aufzustehen und den frühen Tag zu nutzen, dann wird man gleich als der bessere Mensch angesehen. Das ist wie eine Religion. Es wird ja schon in Kinderliedern gepredigt – Bruder Jakob , schläfst du noch? Hörst du nicht die Glocken? In einer Agrargesellschaft wie der französischen, woher das Lied ursprünglich stammt, war es nötig, früh aufzustehen, um das Tageslicht zu nutzen. Aber das ist ein Biorhythmus, der von der Kuh bestimmt wird, die frühmorgens gemolken werden muss, und ein Denken, das an die Muster einer industriellen Gesellschaft anknüpft, in der es als gut galt, dass man die Menschen beim Arbeiten an der Maschine sah und sie dabei beobachten und kontrollieren konnte, weil man die Arbeitsabläufe synchronisieren und aufeinander abstimmen musste.«
    Aber auch moralisch sehen sich die Frühaufsteher oft als die überlegenen Menschen – und diese Moral manifestiert sich in ihren Interessen und Lebensmodellen. »Ein A-Typ würde niemals der verwunderten Frage ausgesetzt sein: ›Du gehst schon so früh ins Bett? Da verpasst du ja so viel!‹ Im Gegenteil: Wenn jemand erzählt, dass er früh aufgestanden ist und damit prahlt, was er alles bis zum Mittag schon erledigt hat, bekommt er nicht nur die volle Anerkennung seines Umfeldes, er hat auch bessere Karrierechancen. Wenn man, wie ich es getan habe, die Vorstandsvorsitzenden der großen, weltweit operierenden Unternehmen befragt, wann diese denn zu Bett gehen, dann bekommt man die einhellige Antwort: um 22 Uhr. Die Antwort: ›Ich stehe erst um 10 Uhr morgens auf!‹ kommt hingegen nie. Dabei sei dahingestellt, ob die Antworten der Wahrheit
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