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Der Freigeist

Der Freigeist

Titel: Der Freigeist
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Esel, oder ein Kannibal gewesen waere?
    Martin . Den Esel lass immer weg, wenn ich dir antworten soll, wie du gerne willst.—Aber, warum fragst du das?
    Johann . Weil ich selbst ein Atheist bin; das ist, ein starker Geist, wie es jetzt jeder ehrlicher Kerl nach der Mode sein muss. Du sprichst, ein Atheist brenne lebendig in der Hoelle. Nun! rieche einmal : riechst du einen Brand an mir?
    Martin . Drum eben bist du keiner.
    Johann . Ich waere keiner? Tue mir nicht die Schande an, daran zu zweifeln, oder—Doch wahrhaftig, das Mitleiden verhindert mich, boese zu werden. Du bist zu beklagen, armer Schelm!
    Martin . Arm? Lass einmal sehen, wer die vergangene Woche das meiste Trinkgeld gekriegt hat. (Er greift in die Tasche.) Du bist ein luederlicher Teufel, du versaeufst alles—
    Johann . Lass stecken! Ich rede von einer ganz andern Armut, von der Armut des Geistes, der sich mit lauter elenden Brocken des Aberglaubens ernaehren, und mit lauter armseligen Lumpen der Dummheit kleiden muss.—Aber so geht es euch Leuten, die ihr nicht weiter, als hoechstens vier Meilen hinter den Backofen kommt. Wenn du gereiset waerest, wie ich—
    Vierter Auftritt
    19
    Der Freigeist
    Martin . Gereist bist du? Lass hoeren, wo bist du gewesen?
    Johann . Ich bin gewesen—in Frankreich—
    Martin . In Frankreich? Mit deinem Herrn?
    Johann . Ja, mein Herr war mit.
    Martin . Das ist das Land, wo die Franzosen wohnen?—So wie ich einmal einen gesehen habe,—das war eine schnurrige Kroete! In einem Augenblicke konnte er sich siebenmal auf dem Absatze herumdrehen, und dazu pfeifen.
    Johann . Ja, es gibt grosse Geister unter ihnen! Ich bin da erst recht klug geworden.
    Martin . Hast du denn auch Frankreich'sch gelernt?
    Johann . Franzoesisch, willst, du sagen:—vollkommen.
    Martin . Oh! rede einmal!
    Johann . Das will ich wohl tun.—Quelle heure est−il, maraut? Le pere et la mere une fille de coups de baton.
    Comment coquin? Diantre diable carogne a vous servir.
    Martin . Das ist schnakisch! Und das Zeug koennen die Leute da verstehen? Sag einmal, was hiess das auf deutsch?
    Johann . Ja! auf deutsch! Du guter Narre, das laesst sich auf deutsch nicht so sagen. Solche feine Gedanken koennen nur franzoesisch ausgedrueckt werden.
    Martin . Der Blitz!—Nu? wo bist du weiter gewesen?
    Johann . Weiter? In England—
    Martin . In England?—Kannst du auch Englaend'sch Johann . Was werde ich nicht koennen?
    Martin . Sprich doch!
    Johann . Du musst wissen, es ist eben wie das Franzoesische. Es ist franzoesisch, versteh mich, auf englisch ausgesprochen. Was hoerst du dir dran ab?—Ich will dir ganz andre Dinge sagen, wenn du mir zuhoeren willst. Dinge, die ihresgleichen nicht haben muessen. Zum Exempel, auf unsern vorigen Punkt zu kommen: sei kein Narr, und glaube, dass ein Atheist so ein schrecklich Ding ist. Ein Atheist ist nichts weiter, als ein Mensch, der keinen Gott glaubt.—
    Martin . Keinen Gott? Je! das ist ja noch viel aerger! Keinen Gott? Was glaubt er denn?
    Johann . Nichts.
    Martin . Das ist wohl eine maechtige Muehe.
    Vierter Auftritt
    20
    Der Freigeist
    Johann . Ei! Muehe! Wenn auch nichts glauben eine Muehe waere, so glaubten ich und mein Herr gewiss alles. Wir sind geschworne Feinde alles dessen, was Muehe macht. Der Mensch ist in der Welt, vergnuegt und lustig zu leben. Die Freude, das Lachen, das Kurtisieren, das Saufen sind seine Pflichten. Die Muehe ist diesen Pflichten hinderlich; also ist es auch notwendig seine Pflicht, die Muehe zu fliehen.—Sieh, das war ein Schluss, der mehr Gruendliches enthaelt, als die ganze Bibel.
    Martin . Ich wollt's. Aber sage mir doch, was hat man denn in der Welt ohne Muehe?
    Johann . Alles was man erbt, und was man erheiratet. Mein Herr erbte von seinem Vater und von zwei reichen Vettern keine kleinen Summen; und ich muss ihm das Zeugnis geben, er hat sie, als ein braver Kerl, durchgebracht. Jetzt bekoemmt er ein reich Maedel, und, wenn er klug ist, so faengt er es wieder an, wo er es gelassen hat. Seit einiger Zeit ist er mir zwar ganz aus der Art geschlagen; und ich sehe wohl, auch die Freigeisterei bleibt nicht klug, wenn sie auf die Freite geht. Doch ich will ihn schon wieder in Gang bringen.—Und hoere, Martin, ich will auch dein Glueck machen. Ich habe einen Einfall; aber ich glaube nicht, dass ich ihn anders wohl von mir geben kann, als—bei einem Glase Wein. Du klimpertst vorhin mit deinen Trinkgeldern; und gewiss, du bist in Gefahr, keine mehr zu bekommen, wenn man nicht sieht, dass
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