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Der Frauenmörder

Der Frauenmörder

Titel: Der Frauenmörder
Autoren: Hugo Bettauer
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flüsterte einer berühmten Schauspielerin zu:
    "Pfui Deibel! Mit solchen Weibern Liebesstunden feiern, bevor man sie abmurxt! Und so was hat die Frechheit, Romane und Stücke zu schreiben!"
    Die Künstlerin kicherte. "Wenn mich einmal einer umbringt, so werden andere Sachen vor Gericht erscheinen. Sogar meine Zofe darf nur Batist tragen!"
    Nun wurden die Briefe der Todesopfer verlesen, die sie auf die Annonce Hartwigs geschrieben hatten. Sie machten dann die Runde; jeder der zwölf Geschwornen bekam alle fünf in die Hände. Lauernd blickte Dengern drein. Aber auch das ging ohne Zwischenfall vorüber.
    Die von der Verteidigung geladenen Entlastungszeugen marschierten an. Lehrer, Jugendfreunde, Studienkollegen Hartwigs. Übereinstimmend erklärten sie, Hartwig als grundgütigen, ein wenig romantischen, schwärmerischen Menschen gekannt zu haben, dem Übeltaten nie und nimmer zuzutrauen gewesen wären. Ein alter Professor, der in Köln acht Jahre hindurch Lehrer Hartwigs gewesen war, sagte:
    "Nach bestem Wissen und Gewissen kann ich nur sagen, daß ich Hartwig nicht nur keines raffinierten Verbrechens, sondern überhaupt keiner unehrenhaften, gewinnsüchtigen Handlung fähig gehalten hätte. Allenfalls einer Jähzornstat. Ich erinnere, wie er einmal, er dürfte vierzehn Jahre alt gewesen sein, in einem öffentlichen Park sich plötzlich auf einen wesentlich größeren und stärkeren Jungen warf, sich in ihn verkrallte, ihn biß und so übel zurichtete, daß der Überfallene verbunden werden mußte. Die Untersuchung ergab aber, daß Hartwig beobachtet hatte, wie dieser Bursche einer gefangenen Feldmaus mit seinem Taschenmesser die Augen ausstach. Mir ist dieser Vorfall lebhaft in Erinnerung, denn ich mußte meine ganze Autorität einsetzen, um Hartwig vor Karzer zu bewahren."
    Der Präsident trommelte ungeduldig mit der Bleifeder auf den Tisch.
    "Nun, Herr Professor, inzwischen sind Jahrzehnte vergangen und in solcher Zeit mag sich der Charakter eines Menschen gründlich ändern."
    Der Entenschnabel nickte, das Nicken wirkte ansteckend auf die anderen Geschwornen, und der Staatsanwalt begann diesen wie die anderen Entlastungszeugen geschickt zu Äußerungen zu bewegen, die bewiesen, daß Hartwig immer einen höchst normalen Eindruck hervorgerufen habe. Das war eine Parade gegen jeden späteren Versuch des Verteidigers, den Angeklagten als geistesgestört darzustellen.
    Es war spät geworden, im Auditorium wie unter den Geschwornen entstand eine gewisse Unruhe, die sich sogar dem Gerichtshof mitteilte. Rechtsanwalt Nagelstock sprang auf.
    "Herr Präsident, da ja ohnedies die Zeugenvernehmungen beendet sind, bitte ich die Verhandlung. auf morgen zu vertagen. Nicht nur ich, sondern wohl auch einzelne der Herren Geschwornen, vielleicht auch der Herr Präsident, die Herren Beisitzenden und der Herr Staatsanwalt haben sich Karten für die heutige Vorstellung im Kleist-Theater besorgt, nicht aus brutaler Neugierde, sondern um dem Rätsel Hartwigs näher zu kommen. Es ist sieben Uhr - in einer Stunde beginnt die Vorstellung - also -
    Erleichtert aufatmend gab der Präsident dem Antrag Folge. Aber bevor er noch die Sitzung aufhob, wandte er sich abermals an den Angeklagten.
    "Hartwig, wollen Sie nicht heute noch das erlösende Wort sprechen und ein Geständnis ablegen?"
    Müde und nervös schüttelte Hartwig den Kopf.
    "Herr Präsident, vor mir liegt eine Nacht, in deren Verlauf ich mit mir ins reine kommen werde. Ich werde morgen sprechen!"
    Trotz der allgemeinen Übermüdung und der vorgerückten Stunde Totenstille, daß man deutlich hörte, wie eine Fliege gegen die Fensterscheibe taumelte. Morgen — also morgen würde die Sensation ihren Gipfelpunkt erreichen. Joachim von Dengern warf dem Angeklagten aus halbgeschlossenen Lidern einen langen Blick zu, dann trat er vor.
    "Herr Präsident, wie ich schon gesagt habe, werde ich noch heute eine wichtige Erhebung machen. Darf ich bitten, morgen sofort nach Eröffnung der Verhandlung mich zuerst zu vernehmen?"
    Verwundert sagte der Präsident zu. Und verwundert wie er waren alle Menschen im Saal. Was hatte das wieder zu bedeuten, was konnte Dengern noch erfahren, warum mußte er unbedingt als Erster morgen sprechen? Rätsel über Rätsel!
     
    Die Menschen strömten wie ein Bienenhaufen auseinander, Autotaxis sausten nach allen Richtungen, es galt, sich rasch umzuziehen, große Toilette zu machen und eine Kleinigkeit zu essen, bevor man sich zur sensationellsten, spannendsten
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