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Der Fluß

Der Fluß

Titel: Der Fluß
Autoren: Ketil Bjørnstad
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Aber mach, wie du willst. Es war nur ein Angebot. Du solltest wenigstens ein Handtuch unterlegen.«
    »Ein Handtuch ist in Ordnung«, sage ich und reibe mir den Rücken.
    Ich stehe im Bad. Betrachte mich im Spiegel. Deutliche Spuren der Erschöpfung. Worauf habe ich mich da eingelassen? Warum bin ich so schwach? So nachgiebig? Warum habe ich nicht gesagt, daß ich eine Matratze möchte? Will ich der frisch verlobten Rebecca imponieren? Ja. Das ist es. Obwohl meine Gedanken bei Marianne Skoog sind. Ihre Verzweiflung erregt mich. In dem nassen, nackten Gesicht sah ich Anja. Das Sanfte, Nachgiebige. Genau wie in meinem Spiegelbild. Und daneben der Trotz: Ich mache, was ich will. Und es ist mein Wille!
    Mein Wille ist es also, in Rebecca Frosts Zimmer auf dem Boden zu schlafen. Mit dem gestreiften Pyjama komme ich aus dem Bad und gehe ins Gästezimmer, um Decke und Kopfkissen zu holen. Rebecca steht in der Tür und kichert, obwohl ihre Augen vom Weinen rot sind.
    »Du bist so süß, Aksel.«
    Nur der Teddy fehlt noch, als ich ihr mit meiner Decke ins Zimmer folge.

    Sie liegt im Bett. Ich liege auf dem Fußboden, in Embryohaltung, horche auf eine Grille vor dem offenen Schlafzimmerfenster. Ich drehe mich um, versuche eine bequeme Position zu finden.
    »Ist der Boden zu hart?« Ihre Stimme klingt dunkler als sonst.
    »Alles in Ordnung«, sage ich.
    »Ich kann nicht schlafen, solange du am Boden liegst. Willst du nicht ins Bett kommen? Es ist groß genug, und ich kann mich doch auf dich verlassen, oder?«
    »Natürlich kannst du dich auf mich verlassen«, sage ich und ziehe mit meiner Decke nach oben.
    »Gut«, sagt sie. »Jetzt kann ich endlich schlafen.«
    Woher wissen wir, daß wir beide wach sind? Ihr Atem geht regelmäßig und tief. Trotzdem weiß ich, daß sie nicht schläft.
    »Schläfst du?« fragt sie leise.
    »Nein«, sage ich. Dann liegen wir wieder still da. Versuchen, zu schlafen.
    Schließlich schlafe ich ein.

    Ich erwache von einem Laut. Zuerst glaube ich, daß da jemand lacht. Dann höre ich, daß es Rebecca ist, die weint. Ich verhalte mich ruhig, weiß nicht, was ich tun soll. Ich hatte geträumt. Im Traum waren Wellen, aber nicht aus Wasser, sie waren aus Haut. Anjas Haut. Die Haut, die ich auf ihren Knochen spürte, weil sie so abgemagert war. Aber im Traum war nur die Haut, die Wölbungen, die Wellen. Anja lachte. Rebeccas Weinen im Dunkeln wird im Traum zu Anjas Lachen. Zwischen uns ist plötzlich kein Abstand mehr. Ich liege in einer Umarmung.
    »Ich habe Angst«, sagt sie und drückt sich an mich. »Halt mich fest.«
    »Hast du schlimm geträumt?«
    »Ich habe nicht geschlafen.«
    »Was kann ich für dich tun?«
    »Es fühlt sich so an, als ginge es eher darum, was ich für dich tun kann.«
    Sie kichert. Ich erröte.
    »Reg dich nicht auf, Aksel. Das Phänomen des Trostes wird in dieser Welt unterschätzt.« Sie greift mit der einen Hand nach mir. »Wir brauchen ja nicht miteinander zu schlafen.«

    Sie atmet tief und erregt, als wir es tun. Ich komme schnell und heftig in ihrer Hand. Sie streichelt meinen Kopf. Ich suche ihren Mund, und sie läßt zu, daß ich es auch mit ihrmache. Sie ist schüchterner, als ich gedacht hatte. Sie flüstert mir unverständliche Wörter ins Ohr. Danach murmelt sie und weint nicht mehr: »Wie oft habe ich davon geträumt, daß du das mit mir machst, Aksel.«
    »Hast du das? Wirklich?«
    »Ja, aber das war vor Christian. Und was gerade war, darüber dürfen wir nie reden. Verstehst du? Diese Nacht ist eine Ausnahme und kehrt nie wieder. Wir haben nicht miteinander geschlafen. Was wir getan haben, passierte nur, weil es nicht anders ging. Weil wir Trost brauchten. Weil wir in einer tiefen Not waren.«
    Ich nicke gehorsam. Sie merkt es. Sie hat den Arm um meinen Nacken und ihre Handfläche an meiner Wange. Ich streiche ihr sachte über den Bauch, als wären wir ein altes Ehepaar.
Das Licht des Morgens
    Sie hat geschlafen. Sie liegt voller Vertrauen in meinem Arm, leise schnarchend wie ein kleines Mädchen. Sie hält mich mit festem und geübtem Griff. Als hätte sie sich in der Not an einem Pfosten im Hafen vertäut. Sind wir einander wirklich so nahe? Der Gedanke ist mir ungewohnt. Ein altmodisches Wort taucht plötzlich in meinem Bewußtsein auf. Begehrenswert. Ja, Rebecca Frost ist begehrenswert. Die blauen, lebhaften Augen, die plötzlich ganz schwarz werden, die Haut mit den winzigen, fast unsichtbaren Sommersprossen. Die schmale, muskulöse Taille, der kräftige
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