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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Beate Maly
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behalten und auch das Geheimnis enträtselt. Nur zu gut konnte Jana sich an Conrads Enttäuschung erinnern, als sich herausgestellt hatte, dass das Buch keine wissenschaftlichen Fragen beantwortete, keine neuen Erkenntnisse oder wichtiges Wissen barg, sondern zu einem der größten und wertvollsten Schätze der Welt führte, zu »El Dorado«, wie die Spanier ihn nannten. Conrad Pfeiffer war Arzt, ein Mann, dessen Religion die Wissenschaft war, der an die Logik und die Vernunft glaubte und davon überzeugt war, die Phänomene dieser Welt allein mit dem Verstand lösen zu können. Gold interessierte ihn nicht.
    So als könnte er ihre Gedanken hören, blinzelte Conrad und richtete sich auf.
    »Schade«, meinte er mit einem schiefen Lächeln. Dabei fiel ihm eine Strähne seiner rotblonden Haare ins Gesicht und bedeckte seine türkisblauen Augen. Auf seinen Wangen bildeten sich Grübchen und verliehen ihm ein jungenhaftes Aussehen.
    »Was ist schade?«, wollte Jana wissen.
    »Dass du dich schon wieder angezogen hast.«
    Jana schüttelte lächelnd den Kopf und warf Conrad seine Hosen zu.
    »Zieh dich lieber auch an, bevor jemand kommt und uns bei unserem unsittlichen Tun erwischt.«
    »Wenn du mich endlich heiraten würdest, wäre es ganz und gar nicht unsittlich, sondern die Erfüllung unserer ehelichen Pflichten«, sagte Conrad. Er zog Jana erneut zu sich und beugte sich über sie. Jana schloss für einen Moment die Augen, dass ihre langen Wimpern ihre sonnengebräunten Wangen berührten.
    Conrad küsste beide, ehe sie sie wieder öffnen konnte.
    »Warum bleiben wir nicht einfach hier? Die Insel ist ein kleines Paradies. Die Winter sind milde und die Sommer warm. Es gibt Wasser und Früchte im Überfluss. Die Menschen sind freundlich, und du kannst jeden Tag frischen Fisch essen.« In Conrads Blick lag so viel Zärtlichkeit, dass es Jana schwerfiel, sich aus seiner Umarmung zu lösen. Dennoch richtete sie sich auf und schüttelte ihr Haar zurecht. Seit Tagen fürchtete sie, dass Conrad ihr diese Frage stellen könnte. Seine anfängliche Begeisterung über die bevorstehende Reise war längst abgeflaut. Reichtum war für Conrad kein erstrebenswertes Ziel. Solange er genug Geld zum Leben hatte, war er zufrieden.
    Als die Santa Lucia, das Schiff, mit dem sie aus Lissabon gestartet waren, auf Gran Canaria angelegt hatte, war er fast erleichtert gewesen, und mit jedem Tag, den sie nun hier verbrachten, schien sein Wunsch nach der Reise in die Neue Welt kleiner zu werden. Jana hatte ihn beobachtet, wie er zwei Kinder einer altkanarischen Guanchen-Familie behandelt hatte. Selten zuvor hatte er bei seiner Arbeit so zufrieden und glücklich gewirkt.
    »Ich hoffe, du machst bloß einen Scherz!«, sagte Jana ernst. Für sie war diese Reise noch lange nicht zu Ende. Jana war fest entschlossen, den Schatz zu finden. In den letzten Monaten hatte sie zum ersten Mal im Leben erfahren, was Freiheit bedeutete. Als Frau war ihr diese bis jetzt von der Gesellschaft verweigert worden. Man hatte von ihr erwartet, dass sie heiratete, Kinder zur Welt brachte und einem Ehemann gehorsam war. Mutig hatte sie sich allen Zwängen widersetzt, und Conrad, der Wissenschaftler, der an die Vernunft im Menschen glaubte, hatte sie nach anfänglichem Zweifel schließlich darin bestärkt.
    Nun seufzte er schwer. Eine heftige Welle schwappte bis zu ihnen und erfasste seinen Schuh. Rasch sprang er auf und fischte danach, ehe der Schuh in den Wellen verschwinden konnte. Als er zurückkam, nahm er seine Hose, schüttelte sie aus und schlüpfte hinein. Der Wind wurde stärker und rauschte durch die riesigen Lorbeerbüsche und hohen Palmen hinter ihnen. Als Conrad wieder angezogen war, ergriff er mit einer Hand Janas Kinn, mit der anderen ihre Hände und zwang sie, ihn anzusehen.
    »Ich habe meinen größten Schatz bereits gefunden«, sagte er ernst und leise. Aber laut genug, dass seine Stimme vom Wind nicht verschluckt wurde.
    »Ich brauche weder Gold noch Edelsteine. Wenn du nicht hier bleiben willst, können wir nach Bologna oder Genua gehen. Ich kann als Arzt arbeiten und einen Lehrstuhl an einer Universität annehmen. Niemand kennt uns dort, und keiner weiß, dass wir die Karte besitzen. Du kannst eine kleine Apotheke eröffnen, und wir werden viele glückliche Kinder in die Welt setzen.«
    Bei seinen letzten Worten bildeten sich winzige Lachfältchen rund um seine Augen. Jana wurde heiß, sie wich seinem Blick aus. Eine eigene Apotheke, Kinder, Familie, ein
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