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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Beate Maly
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Raleigh.
    Überrascht hob Richard seine Augenbrauen. Was sollte das für eine Möglichkeit sein? Plötzlich traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. Raleigh wollte, dass er sich statt seiner opferte und vom Henker köpfen ließ. Warum sonst hätte er ihn heimlich nachts kommen lassen sollen? Der alte Mann war in einer Luxuszelle gefangen, bewacht von Wärtern, die ihm jeden Wunsch von den Augen ablasen und ihn behandelten wie einen Herzog. Niemand wusste von seiner Anwesenheit hier. Was für ein groteskes Ende eines tragischen Lebens. Schade, dass niemand davon erfahren würde. Er zuckte zusammen, als Raleigh sich umständlich von seinem Stuhl erhob und die hölzernen Beine über den Steinboden kratzten.
    Jetzt sah Richard, dass Raleigh ein alter, magerer und gebrechlicher Mann war, der nur im Sitzen noch gebieterisch und resolut wirkte. Mit unsicheren Schritten ging Raleigh zu seinem Schreibpult, griff zielsicher nach einem Bogen Papier und kam wieder zurück. Direkt vor Richard blieb er schnaufend stehen.
    »Ich mache das nicht, weil ich glaube, dass Ihr der fähigste Mann für diese Aufgabe seid, sondern weil ich keine andere Wahl habe.«
    Richard überlegte, was man falsch machen konnte, wenn man sich anstelle eines anderen köpfen ließ? Es wollte ihm nichts einfallen.
    Aber Raleigh fuhr rasch fort: »Ich habe die letzten Wochen genutzt, um eine Karte zu zeichnen.«
    »Was für eine Karte?«, fragte Richard vorsichtig und wischte sich mit dem Handrücken die Schweißperlen von Stirn und Oberlippe. Neben dem offenen Feuer war es fast unerträglich heiß.
    Raleigh senkte seine Stimme und blickte zur Tür. Als fürchtete er, etwaige Zuhörer könnten sie belauschen.
    »Es ist das Duplikat der wertvollsten Schatzkarte der Welt.«
    »Schatzkarte?«, fragte Richard überrascht. Er hatte mit einer Wegbeschreibung zum Schafott gerechnet.
    »Pssst!«, zischte Raleigh ungeduldig und starrte erneut zur Tür.
    »Wollt Ihr, dass der ganze Tower mithört?«, rügte ihn der alte Mann.
    »Habt Ihr je von El Dorado gehört?« Raleighs Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
    »Der sagenumwobene Goldschatz, den die Spanier und die Portugiesen in der Neuen Welt suchen? Und den auch Ihr auf Eurer Expedition entlang des Orinokos finden wolltet?«, fragte Richard. Ihm war immer noch nicht ganz klar, worauf Raleigh hinauswollte.
    »Genau der«, Raleigh grinste. Es war erstaunlich, wie viele Zähne er trotz seines Alters noch im Mund hatte.
    Er hielt ein zusammengerolltes Schriftstück knapp vor Richards Nase. »Hier ist die Karte. Leider ist es nicht das Original, denn die wurde mir auf der Rückfahrt meiner letzten Reise geraubt.«
    »Wer hat Euch die Schatzkarte geraubt?«, fragte Richard. Sein Interesse war nun geweckt.
    »Männer der Kirche«, antwortete Raleigh. »Ich kam erst kurz vor unserer Abfahrt in den Besitz der Karte. Es war purer Zufall, denn eigentlich war das Schriftstück dafür bestimmt gewesen, vernichtet zu werden. Wie auch immer. Plötzlich hatte ich die Karte und konnte mein Glück nicht fassen. Ich wollte mich sofort auf die Suche begeben, aber wir hatten uns an den Befehl der Krone zu halten, und der hieß: sofortige Rückkehr nach England. Mit diesem Befehl begann eine Serie von Unglücksfällen. Vor Trinidad, der spanischen Insel der Dreifaltigkeit, wurden wir von Piraten überfallen. Zumindest dachten wir, es wären ausschließlich Piraten. In Wirklichkeit waren auch Jesuiten an Bord gewesen, die von der Karte erfahren hatten.«
    Raleigh setzte sich und schloss für einen Moment die Augen. Richard hatte Angst, der alte Mann würde einschlafen, und fragte neugierig: »Was ist bei dem Überfall passiert?«
    Raleigh öffnete die Augen wieder und zuckte mit den Schultern: »Wir haben alles verloren, was wir in den Wochen davor erbeutet hatten, und die Jesuiten nahmen die Karte an sich.«
    »Das heißt, Ihr seid mit leeren Händen nach Hause gekommen.«
    Raleigh nickte mit einem bitteren, humorlosen Lächeln. »Nicht nur das, unser ehrenwerter König hat bei meiner Heimkehr beschlossen, mich ins Gefängnis zu stecken, und was nächste Woche passieren wird, wisst Ihr bereits.«
    Zum ersten Mal schwang Bedauern in Raleighs Stimme, aber immer noch keine Angst.
    »Das heißt, die Originalkarte hat ein Jesuit«, schlussfolgerte Richard.
    Raleigh schüttelte den Kopf: »Der Dummkopf hat sich die Karte von einem einfachen Seemann abnehmen lassen, der keine Ahnung hatte, was er in seinen Händen hielt. Der Mann hat
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