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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Beate Maly
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missfiel Conrad. Er fragte sich, ob System hinter der Vorgehensweise steckte. Zuerst zerstörten die Spanier alles, was sich ihnen in den Weg stellte, und dann schickten sie mildtätige Priester auf die Trümmerhaufen, um den Menschen das Überleben zu sichern und sie von ihrem eigenen Glauben direkt in die Arme der katholischen Kirche zu treiben. Conrad öffnete den Mund, um etwas zu sagen, bemerkte aber rechtzeitig Assantes warnenden Blick. Der Freund schien seine Gedanken lesen zu können. Vielleicht aber dachte er dasselbe und schwieg aus Respekt vor Ticas Mutter.
    Nach dem Essen wollte Ticas Mutter von den Plänen der drei erfahren. Tica sagte, dass sie dringend mit dem Zipa reden müsse.
    »Warum das denn, mein Kind?«, fragte Ticas Mutter.
    »Es geht um den Schatz unseres Volkes«, flüsterte Tica. Sie senkte ihre Stimme, weil sie der Ansicht war, dass man den Schatz wegen seiner Bedeutsamkeit nicht laut erwähnen durfte.
    »Was ist damit?«, fragte ihre Mutter besorgt.
    »Er ist in Gefahr. Conrad weiß, wo er sich befindet, und er ist nicht der Einzige, der das Versteck kennt.«
    Ticas Mutter schüttelte den Kopf: »Der Zipa ist tot, und es gibt keinen Nachfolger.«
    »Und der Zaque?«
    Assante und Conrad warfen sich fragende Blicke zu, worauf Tica erklärte: »Der Zipa regiert über die Region rund um Bacatá, der Zaqua über Hunza oder, wie ihr die Stadt nennt, Tunja. Die Zipas sind Nachfahren des Mondes, die Zaques Kinder der Sonne. Beide lagen jahrelang im Streit, aber als die Spanier kamen, sahen sie ein, dass sie gemeinsam mehr erreichen konnten. Leider zu spät.«
    Ticas Mutter nickte: »Ja, es ist zu spät. Es gibt keinen Zipa und keinen Zaque mehr. Aber es gibt auch keine Opfer mehr, die sie einfordern.«
    »Willst du damit sagen, du findest die Herrschaft der Spanier gut?«, fragte Tica entsetzt.
    Ihre Mutter schüttelte den Kopf: »Es hat sich nicht viel verändert. Wer reich war, ist es heute immer noch. Wer arm war, schuftet auch jetzt noch den ganzen Tag. Aber heute müssen wir nicht fürchten, dass eines unserer Kinder den Göttern geweiht werden muss, weil der Regen nicht rechtzeitig einsetzt oder unsere Krieger gegen die Feinde verlieren.«
    »Mutter, du verrätst unser Volk und unseren Glauben!« Tica sprang auf und warf den Stuhl um, auf dem sie eben noch gesessen hatte.
    »Beruhig dich, mein Kind«, sagte die Alte. »Ich verrate gar nichts. Ich will bloß in Frieden alt werden.«
    »Und … dafür … dafür bist du bereit, all unser Gold den Spaniern zu … geben?« Tica verhaspelte sich beim Sprechen, so aufgeregt war sie.
    »Aber nein, niemand will irgendetwas hergeben. Du musst mit der Schamanin reden, die wird dir alles erklären.«
    »Es gibt die alte Huzana noch?«
    »Natürlich, und die Dominikaner fragen sie regelmäßig um Rat, wenn sie die Wirkung bestimmter Heilkräuter nicht kennen oder wissen wollen, welche Pflanzen auf welchem Boden besonders gut wachsen. Sie sind auch bemüht, die alten Festtage einzuhalten. Freilich nicht, um die alten Götter zu feiern, aber um den neuen Gott an diesem Tag besonders zu preisen. Wir singen unsere alten Melodien mit neuen Texten, und wenn wir tanzen, dann tun wir das rund um eine mit Blumen geschmückte Madonna. Aber es sind die Tänze, die wir seit Generationen tanzen.«
    »Aber das ist doch alles nicht richtig«, sagte Tica aufgebracht.
    Ihre Mutter schüttelte müde den Kopf.
    »Wer weiß schon, was richtig ist«, seufzte sie. »Es ist viel zu viel Blut geflossen. Jetzt ist es Zeit, in die Zukunft zu blicken, und wenn der neue Gott uns dabei hilft, dann soll es mir recht sein.«
    Später saßen sie in der Hütte einer Frau, die mehr einer Mumie ähnelte als einer lebenden Frau. Die Wangen der Alten waren eingefallen, ihre Haut ledrig und vertrocknet. Sie schien ausschließlich aus Sehnen, Knochen und Haut zu bestehen. Conrad war sich sicher, dass sie beim geringsten Windhauch umfallen würde. Die Alte weigerte sich, die Sprache der Eroberer zu lernen. Deshalb musste Tica für ihre beiden Begleiter übersetzen.
    »Wir sind in großer Sorge«, begann Tica das Gespräch. »Conrad, mein Freund, weiß, wo sich unser Schatz befindet. Er hat vor Monaten das Rätsel einer Schatzkarte entschlüsselt, und nun sind verschiedene Gruppen unterwegs, um den Schatz aus dem See zu bergen.«
    Die Alte hörte scheinbar teilnahmslos zu, während sie an Blättern kaute, die ihre Zunge rot färbten. In der Hütte roch es nach Kräutern und Rauch. Eine
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