Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
Autoren: Loretta Napoleoni
Vom Netzwerk:
schmackhaft zu machen. Diese 75 Milliarden Euro landen also in den Tresoren der Gläubigerbanken, nicht in denen der Bank von Griechenland. Ende August 2011 kam zudem ans Tageslicht, dass Griechenland Finnland Sicherheiten gegeben hat, damit das Land dem Hilfspaket vom Juli zustimmte. Nun wollten natürlich auch die anderen EU-Länder Sicherheiten, wenn sie Griechenland Geld leihen. Das Hilfspaket wurde zunächst einmal blockiert.
    Als es dann schließlich verabschiedet wird, werden 20 Milliarden eingesetzt, um griechische Anleihen zurückzukaufen, damit die Staatsschulden insgesamt auf 350 Milliarden gesenkt werden können. Weitere 35 Milliarden sind nötig, um einen Zahlungsaufschub für insgesamt 54 Milliarden in Anleihen zu erreichen. Was das heißt? Dass man dem Privatsektor ein Häppchen (oder vielmehr einen Happen) hinhalten musste, um ihn zum Umtausch alter Anleihen in neue zu bewegen, eine Garantiesumme, die aus den Schrottanleihen solche mit AAA-Rating macht. Die 35 Milliarden werden als Bankgarantien hinterlegt. Bei einem Zahlungsausfall Griechenlands werden sie den Gläubigern ausgezahlt.
    Wir haben es also mit einem Paket aus der Werkstatt der Abrakadabra-Ökonomie zu tun, das in erster Linie die Seelenqualen der Bondshändler lindert! Und wird es denn funktionieren? Nun ja, maximal für die Dauer der Sommerferien. Warum wohl?
    In der Illusionswirtschaft der europäischen Unbeweglichkeit lassen sogar schlechte Nachrichten die Börsenkurse steigen, auch wenn die führenden Staatsmänner Europas sich Woche um Woche als Negativorakel betätigen. Denn die Botschaft, die sie zu verkünden haben, ist alles andere als erfreulich, ganz im Gegenteil, sie ist erschütternd: Mit dem zweiten Hilfspaket für Griechenland wird der Status quo von 2010 festgezimmert, nicht mehr. Wir sind also weit entfernt von einer Lösung des Problems. Und von der Rettung Griechenlands!
    Was hat sich also im Jahr 2011 verändert gegenüber dem Jahr 2010, in dem Athen Hilfen in Höhe von 110 Milliarden Euro bekam? Welcher Teil der 35 Milliarden Euro wird Griechenlands Wirtschaft zum Wachstum anregen, statt sie zum Schrumpfen zu verurteilen, wie dies in den zwölf Monaten zuvor der Fall war? Die Antwort ist leider: keiner. Der europäische Marshallplan, der mit dem Original nichts gemein hat, wird die griechische Wirtschaft nicht vor dem Bankrott retten, sondern höchstens die Märkte überzeugen, dass man diesem Land weiterhin Geld leihen kann!
    Die Wirtschaft des mediterranen Europa ist nicht konkurrenzfähig, und das Verhältnis von Staatsschuld zum BIP in all diesen Ländern ist untragbar. Das ist der Kern des Problems. Es genügt, die Wachstumszahlen der verschuldeten Länder mit den jeweils zu zahlenden Zinssätzen zu vergleichen, um zu begreifen, dass diese Methode nirgendwo hinführt. Das Wirtschaftswachstum Italiens verharrt unter 1 Prozent, die Zinsen, die die Märkte dem Land abverlangen, aber liegen bei 5 Prozent. Auf diese Weise können die Staatsschulden nur steigen. Dasselbe gilt für alle PIIGS-Länder.
    Wo aber liegt dann die Lösung? Ganz sicher nicht in mehr Schulden, aber auch nicht in einer Sparpolitik, die zur Verringerung der Staatsschulden auf Kürzung der Staatsausgaben setzt. Wir brauchen ein neues Modell. Wir müssen zuerst einmal feststellen, welche Sektoren, welche Industriezweige konkurrenzfähig geblieben sind und welche nicht. Wir müssen unseren Lebensstil überdenken, Verschwendung einen Riegel vorschieben und in den Sektor »erneuerbare Energien« oder in die Landwirtschaft investieren. Spanien und Portugal tun dies bereits. Wir müssen lernen, nur im Ausnahmefall Schulden zu machen. Möglicherweise ist dafür ein anderes Währungssystem nötig, das weniger rigide vorgeht und mehr Flexibilität aufweist. Vielleicht ist es tatsächlich nicht möglich, dass ein Land wie Griechenland dieselbe Währung nutzt wie eins von dem Wirtschaftspotenzial Deutschlands. Im Grunde hat diese Kopplung ohnehin nie funktioniert. Und das gilt natürlich auch für Italien. Warum sind mittlerweile die Lohnstückkosten im mediterranen Europa höher als in Deutschland? Warum fällt die Produktivität geringer aus? Würde man diese Zahlen in nationalen Währungen vergleichen, stünden die mediterranen Länder besser da, weil sie notgedrungen eine schwächere Währung hätten als Deutschland, die deutsche Produkte im internationalen Vergleich billiger machte. Eine Währung, die sich abwerten lässt.
    Solange diese psychologische
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher