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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert
Autoren: Loretta Napoleoni
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umgerechnet 6350 Euro. Der italienische Politiker verdient also fast doppelt so viel wie der englische und sogar mehr als seine amerikanischen Kollegen. Außerdem erhalten italienische Abgeordnete noch eine Menge »Zuschläge« in Form einer Wohnung in Rom, diverser Freiflüge, kostenloser Zugtickets, kostenloser Haarschnitte usw. – was alles der Steuerzahler berappt. Sodass am Ende des Monats der italienische Parlamentarier (wenn man die Kosten für ihre Assistenten mit einrechnet) noch einmal 8783 Euro extra bekommt. Also fast 20.000 Euro im Monat. Das verdient einer der zahllosen prekär Beschäftigten in diesem Land nicht einmal aufs Jahr gerechnet.
    Da der solchermaßen subventionierte Politiker über die Extrakosten, die er verursacht, keinerlei Rechenschaft ablegen muss, gibt es keine Kontrolle darüber, ob diese Kosten tatsächlich im Dienste der Allgemeinheit anfielen. Als die Abgeordnete Rita Bernardini beantragte, hier verbindliche Abrechnungen einzuführen, fanden sich sage und schreibe nur insgesamt achtzig Parlamentarier, die für diesen Antrag stimmten. Weder die Regierungsparteien noch die Opposition konnten sich damit anfreunden, die Fraktions- und Parteivorsitzenden schon gar nicht.
    Italienische Parlamentarier und Senatoren haben Anspruch auf Sonderbehandlung im Gesundheitssystem. Ob es nun um Zahnersatz, Shiatsu-Massagen oder die Sauna geht, der Parlamentarier bekommt bezahlt, was dem »gewöhnlichen« Bürger nur nach privater Zuzahlung offensteht. Der Italiener von der Straße hat bei jedem Besuch eines Facharztes 10 Euro zu entrichten. Und so beliefen sich im Jahr 2010 die Kosten für diese Extrabehandlung der Parlamentarier auf 10,1 Millionen Euro. Dazu kommen die freien Mahlzeiten für die Mitglieder des Parlaments, noch einmal 5,5 Millionen Euro. Nicht zu vergessen die Mitgliedsgebühren für den Country Club am Tiber. Und buchstäblich last, but not least die Politikerbüros außerhalb des Parlamentsgebäudes, für die der italienische Steuerzahler im Jahr 2010 45 Millionen Euro aufbringen musste.
    Und der italienische Politiker kostet auch Jahre nach seiner Dienstzeit noch mehr als der Unterhalt für einen Ferrari. Nach nur fünf Jahren Amtszeit hat er nämlich Anrecht auf eine Pension von »mindestens« 2486 Euro. Wie hoch die Pension tat sächlich ausfällt, hängt von der Amtszeit ab: zwischen 20 und 60 Prozent der Aufwandsentschädigung für Parlamentarier. Sein deutscher Kollege erhält 961 Euro, der französische 780 Euro. Nimmt man also aktive und pensionierte Parlamentarier zusammen, so zahlte das italienische Volk im Jahr 2010 insgesamt eine Milliarde Euro für sein Parlament und 600 Millionen Euro für den Senat. Tito Boeri veröffentlichte im Wall Street Journal eine Untersuchung, der zufolge die Diäten italienischer Abgeordneter seit 1948 um 9,8 Prozent pro Jahr gestiegen sind, wohingegen die Löhne der Arbeiter es nur auf einen Anstieg von insgesamt 3 Prozent bringen. Nicht einmal ein Drittel also. Und jetzt muss man ja auch noch mit der Krise rechnen. Nicht so als Parlamentarier offensichtlich!
    Die Zivilgesellschaft ist der endlosen Rezession müde. Sie hat die politische Klasse satt, von der sie seit Jahrzehnten ausgebeutet wird. Sogar im eher leidenschaftslosen Großbritannien, weit vom Mittelmeer entfernt, gehen die Menschen auf die Straße, weil es ihnen reicht. Im Frühjahr 2011 protestierte die Jugend gegen Studiengebühren. Ende Juni kam es dann zum Generalstreik der Staatsbediensteten wegen der Erhöhung des Pensionsalters und der Kürzung der Pensionen. Es war der erste große Streik seit 25 Jahren, alle Gewerkschaften riefen gemeinschaftlich dazu auf, und der Generalstreik wurde vom Großteil der Arbeitnehmerschaft unterstützt.
    Mittlerweile ist klar, dass die Verantwortung für das wirtschaftliche Desaster, das über den »alten Kontinent« hereingebrochen ist, nicht nur auf Banken und Finanzgesellschaften beschränkt ist. Schlechte Regierungsführung und Misswirtschaft haben dazu beigetragen, dass mit den vorhandenen Regeln Schindluder getrieben wurde. Die mangelhafte Verfolgung von Steuerhinterziehung hat die Staaten verarmen lassen. Steuerhinterziehung und die so verbreitete Schwarzarbeit allein kosteten den italienischen Staat 300 Milliarden Euro. Das sind die Schätzungen für das Jahr 2010. Man geht davon aus, dass die Zahlen in Wirklichkeit noch höher sind. Das Budgetdefizit ließe sich leicht in den Griff bekommen, wenn man diese verborgenen
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