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Der feine Unterschied

Titel: Der feine Unterschied
Autoren: Philpp Lahm
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täglich auf die Beine schauen könnte; wenn ich die Gelegenheit hätte, mich in jedem Training mit ihnen zu messen; dann könnte ich auch beweisen, dass ich mithalten kann, dass mich das Training mit besseren Spielern selbst besser macht; dass ich die Qualität habe, für den FC Bayern zu spielen.
    Aber zeigen konnte ich bei den Profis noch nicht viel. Im November 2002 war ich beim Champions-League-Spiel gegen den RC Lens zwei Minuten vor Schluss eingewechselt worden. Der FC Bayern war zu diesem Zeitpunkt längst ausgeschieden, und in den zwei Minuten Spielzeit konnte ich im schlecht be-suchten Olympiastadion nicht viel mehr zeigen, als dass ich das Bayern-Trikot mit der Nummer 29 trug.
    Dabei ging es für mich um eine Menge Geld. Hätte ich mit den Profis gewonnen, hätte ich eine Punkteprämie kassiert, die höher als mein Monatseinkommen bei den Amateuren gewesen wäre. Als ich eingewechselt wurde, sah es noch gut aus. Markus Feulner hatte gerade das 3:2 für den FC Bayern erzielt. Aber eine Minute später war der Traum auch schon wieder vorbei. Ausgleich, Prämie gestrichen.
    Hin Platz bei den Bayern-Profis scheint derzeit nicht in Reichweite, und Felix Magath bietet mir an, zu einem Klub zu kommen, der ebenso Champions League spielt wie der FC Bayern.
    Täglich mit den Profis trainieren.
    Selbst Profi sein.
    Ich rufe meinen Berater an. Roman rät mir zu. Wir machen einen Termin mit dem FC Bayern aus. Der FC Bayern ist einverstanden, mich an Stuttgart auszuleihen. Wir fahren nach Stuttgart. Felix Magath ist clever, also überaus freundlich. Er sagt, er holt mich für rechts hinten, eine Position, auf der beim VfB Andreas Hinkel spielt, ein Nationalspieler. Aber du kannst ja auch rechts im Mittelfeld spielen, sagt Magath, oder Hinkel spielt im Mittelfeld und du in der Verteidigung. Ich höre immer nur »spielen«. Nichts anderes will ich. Regelmäßig Bundesliga spielen, wenn möglich als Stammspieler. Ein Traum für einen 19-Jährigen wie mich. Nach dem Gespräch mit Magath stehe ich auf und bin überzeugt davon, dass er mich wirklich, wirklich haben will. Dass ich spielen werde. Regelmäßig. Nachdem ich mich zuerst noch einmal mit Roman beraten habe und mit meinen Eltern, sage ich zu.
    Am ersten Trainingstag beim VfB Stuttgart muss ich von
    Mann zu Mann gehen und mich vorstellen. Niemand kennt mich, außer drei jungen Spielern, mit denen ich bereits in der Jugendnationalmannschaft gespielt habe.
    »Hallo, ich bin Philipp Lahm ..., hallo, ich bin Philipp Lahm ...«
    Ich habe jetzt einen eigenen Spind. Links von mir sitzt Timo Hildebrand, der schon in der Nationalmannschaft gespielt hat, rechts von mir Silvio Meißner. Ich darf mir eine Rückennummer aussuchen, ich nehme die 21.
    In der Kabine ist der Umgang noch ein bisschen steif. Jemand fragt mich, ob der Umzug gut geklappt hat. »Ja«, sage ich. Viel mehr fällt mir nicht ein.
    Aber auf dem Trainingsplatz fällt die Beklommenheit von mir ab. Ich weiß ja, dass ich Fußball spielen kann, und ich will wissen, ob ich mit den erfahrenen Spielern mithalten kann.
    Das Training ist straff. Die erste Mannschaft spielt gegen die zweite. Ich stehe in der zweiten. Es dauert ein bisschen, bis ich orientiert bin, aber da höre ich schon den Trainer: »Philipp!«
    Felix Magath, der ohnehin schon von Beruf Respektsperson ist, lässt mich vortreten und faltet mich vor versammelter Mannschaft zusammen. »Beweg dich mehr«, befiehlt er in bestem Kasernenhofton, »nimm mehr am Spiel teil.«
    Mit eingezogenem Kopf renne ich zurück aufs Spielfeld. In meinem Kopf ein dumpfes Gefühl. Ist da eine Dampfwalze über mich drübergefahren? Aber nach dem Training sagen mir die Kollegen: »Nimm das nicht zu ernst. Der Trainer will dir helfen, und er macht das eben so.« Okay, denke ich, okay. Er scheißt mich zusammen, weil er mich wie jeden anderen Spieler behandelt. Er sieht kein Nachwuchstalent in mir, sondern ein echtes Mannschaftsmitglied. Er will nur, dass ich mich am Riemen reiße. Okay. Okay.
    Ich reiße mich am Riemen und haue mich im Training voll rein. Der Trainer sagt nichts mehr zu mir, also muss die Leistung, die ich abliefere, in Ordnung sein. Bald beginnen die Kollegen mit mir kleine Witze zu machen. Witze sind das Konversationslexikon des Fußballprofis. Wenn du einem Mitspieler den Ball durch die Beine gespielt, ihn getunnelt hast, gibt es Anerkennung in Form eines durch die Zähne gepressten »Super-tunnel!«. Nach ein paar Tagen auf dem Trainingsplatz ist das
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