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Der falsche Zeuge

Der falsche Zeuge

Titel: Der falsche Zeuge
Autoren: Stella Blómkvist
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das Fernsehen, nicht? Ich habe Gréta gesagt, dass es die wahrscheinlichste Erklärung wäre, aber mir kam überhaupt nicht in den Sinn, dass der arme Mann gestorben sein könnte. Er war’s doch, nicht?«
    Ich lächele zum Abschied und kehre wieder in die Wohnung zurück, ohne auf die letzte Frage zu antworten. Oder Margréts Missverständnis zu berichtigen. Zumal sie mir so vorkam, als würde sie die Wahrheit sowieso vor allen anderen herausfinden.
    Ich gehe wieder ins Bad. Das kalte Wasser ist immer noch in der Badewanne, aber ich kümmere mich nicht weiter darum. Ich sehe das kindliche Gesicht des Mädchens immer noch ganz deutlich vor mir. Sie war sicher nicht älter als vierzehn oder fünfzehn Jahre.
    Was war bloß passiert?
    Natürlich wies alles darauf hin, dass sie Selbstmord begehen wollte. Vielleicht schon begangen hat? Aber wie?
    Sie hatte sich nirgendwo aufgeschnitten. Zumindest sah ich an den Handgelenken nichts, was auf Schnitte hinwies. Und im Badewasser ist kein Blut. Hat sie Tabletten geschluckt? Aber wo ist dann das Glas?
    Ich lasse meine Augen schnell von einem Einrichtungsgegenstand zum anderen schweifen. Suche den Fußboden und den Tisch ab. Öffne den Schrank über dem Waschbecken. Werfe auch einen Blick in den Mülleimer. Im Bad befinden sich viele Sorten von Seifen und Reinigungsmitteln. Und Sprayflaschen mit diversem Inhalt.
    Parfüms. Rasierapparat. Kämme. Schere. Eine Haarbürste. Nagelknipser. Viele Tuben und Tiegel. Allerlei Cremes für Haut und Haar. Drei benutzte Zahnbürsten. Zwei verschiedene Sorten Zahnpasta. Wunddesinfektionsmittel. Einige eingepackte Kondome.
    Aber keine Tablettengläser. Noch nicht mal Aspirin oder Magnyl. Wenn sie eine Überdosis Tabletten geschluckt hat, muss das Glas oder die Verpackung irgendwo in der Wohnung zu finden sein. Alles andere wäre sehr mysteriös.
    Vielleicht in ihrem Schlafzimmer?
    Ich durchsuche zuerst ihr Bett und drehe Decke und Kopfkissen um. Dann gehe ich systematisch ihren Kram auf dem Fußboden und auf dem Nachttisch durch. Wühle schließlich auch in der Schublade. Aber finde nirgendwo ein Behältnis für die Tabletten.
    Das Handy klingelt. Es ist Gréta. Sie ist bestürzt, als sie von dem Mädchen hört.
    »Was kannst du mir über deinen verschwundenen Mieter erzählen?«, frage ich.
    »Er ist ein ausländischer Vertreter«, antwortet sie, »heißt Sergei irgendwas und kommt, wenn ich mich recht erinnere, aus Lettland oder Litauen. Ich habe ihn allerdings noch nie gesehen.«
    »Wie, du hast deinen Mieter noch nie gesehen?«
    »Nein, ich habe einfach eine Anzeige in die Zeitung gesetzt und bekam sofort ein Angebot von einer Firma, die erklärte, dass sie diesem Vertreter umgehend eine Wohnung besorgen müssten. Er würde gut zahlen, und deshalb sagte ich zu.«
    »Was für eine Firma war das?«
    »Sie heißt Zeitarbeit oder so ähnlich.«
    Wie bitte?
    Bei dieser Antwort werde ich aufmerksam.
    Zeitarbeit & Consulting. Die Firma der smarten Snjófrídur.
    Sie ist eine der bekanntesten Frauen in der isländischen Wirtschaftswelt. Snjófrídurs Firma ist ein Branchenriese, der den meisten ein Begriff ist und allgemein unter dem Namen Zeitarbeit läuft. Sie vermietet Angestellte für diverse Einsätze an Betriebe und öffentliche Einrichtungen. Soll über zweitausend Leute auf der Gehaltsliste haben, vor allem Ausländer.
    Vielleicht ist dieser Mieter einer davon?
    »Wie kann man denn diesen Sergei erreichen?«, frage ich.
    »Ich habe von ihm nur meine Telefonnummer aus der Wohnung«, antwortet Gréta.
    Nachdem das Gespräch beendet ist, durchsuche ich weiter alle Schubladen und Schränke in der Wohnung. Aber ich finde nichts, was mir etwas über das Mädchen verrät.
    Außer einem Foto.
    Nur ein zerfleddertes Foto, auf dem zwei Mädchen zu sehen sind. Sie stehen eng nebeneinander. Umarmen sich. Machen ein ernstes Gesicht.
    Die eine ist das Mädchen in der Badewanne. Als sie noch jünger war. Ganz klar.
    Die andere ist viel älter. Ist bestimmt Ende zwanzig.
    Aber sie sehen sich sehr ähnlich. Sie könnten vielleicht Geschwister sein. Oder Mutter und Tochter? Sie sind warm angezogen. Haben dicke Mäntel an und Fellmützen auf dem Kopf, es ist eine Außenaufnahme im Winter. Im Hintergrund liegt Schnee.
    Trotzdem wirkt die Umgebung nicht sehr isländisch. Die Häuser sehen irgendwie anders aus. Natürlich könnten sie auch aus Lettland oder Litauen kommen, wie der Mieter. Der Vertreter Sergei. Vielleicht seine Frau und seine Tochter?
    Nach
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