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Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)

Titel: Der falsche Auserwählte (Ein Artesian Roman) (German Edition)
Autoren: Peter Merten
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das Ende des Sturms. Sie sollte es nicht mehr erleben.
    Wie jedes Mal, wenn großes Leid über viele Menschen zur gleichen Zeit hereinbricht, ertönt irgendwann von irgendwo der Ruf nach einem Schuldigen. Erst leise und verhalten, dann lauter, fordernder. Für die Flachländer stand fest: die Hexe war schuld an der Katastrophe. Vielleicht hatten sie damit Recht, vielleicht auch nicht. Für Quadelia war es einerlei. Ihre Tage waren gezählt.
    Es dauerte nicht lange, bis sich wütende Bauern und Dorfbewohner vor ihrer Hütte versammelt hatten. Mit Knüppeln, Äxten, Dreschflegeln und allerlei grobem Werkzeug bewaffnet forderten sie die Hexe auf, herauszukommen und ihre gerechte Strafe anzunehmen. Quadelia trat den Flachländern mutig auf ihrer kleinen Veranda entgegen. Schnell hatte man sie überwältigt und zum Marktplatz nach Bitterquell gebracht. Dort wurde sie am Halse aufgehängt. Sie starb einen langsamen Tod. Noch in der gleichen Nacht endete der Sturm und die Wolken verzogen sich. Am anderen Morgen schien die Sonne von einem strahlend blauen Himmel auf das verwüstete Land. Damit stand für die Flachländer fest, dass die Hexe Quadelia Wurzel die Katastrophe verursacht hatte und dass sie zurecht aufgehängt worden war.
    Von diesem Tag an ging es munter zu zwischen den Flachländern und den Hexen vom Bitterfluss. In den folgenden Wochen und Monaten mehrten sich die Anschuldigungen von böser Hexerei und dunkler Hexenmagie. Frauen wurden wahllos angeklagt und verurteilt, man nahm ihnen ihre Rechte, enteignete und verjagte sie. Als Zeichen ihrer Schuld brannte man ihnen den Hexenhalbmond in jede Wange und spaltete ihre Lippen.
    Die Hexenverfolgung im Flachen Land wütete viele Jahre. Aber all jene Frauen, die man der bösen und magischen Künste überführte, waren keine Hexen. Die wirklichen Hexen hatten schon wenige Tage nach Quadelias Tod ihre Heimat verlassen. Man sah sie mit ihren Vertrauten und dem, was sie an persönlichem Besitz mit sich tragen konnten, in alle Himmelsrichtungen davonziehen. Sie kehrten nicht mehr zurück.
    Die Hexenverfolgung im Flachen Land endete erst, als der Henker starb und sich danach niemand mehr fand, der bereit war, den schuldig gesprochenen Frauen mit einem Holzhammer das Gesicht zu zerschmettern.
    Das alles war vor langer Zeit geschehen. An der gegenseitigen Abneigung zwischen Hexen und Flachländern hatte sich aber bis zum heutigen Tag nichts geändert.
    Alep teilte die Ansicht der Flachländer vom bösen Wesen der Hexen nicht. Schließlich war seine Großmutter eine Hexe. Und wer sie kannte, wusste, dass sie nicht böse war.
    Inzwischen hatte Oma Elders begonnen, Rina die Geschichte von Quadelia Wurzel zu erzählen. Vater kaute auf seinen Schnurrbartenden herum und hörte aufmerksam zu. Mutter forderte den Golem erneut auf, endlich etwas zu essen. Bak starrte den Golem über den Tisch hinweg an, als wollte er ihn fressen.
    Als Großmutter sah, dass der Golem Anstalten machte aufzustehen, unterbrach sie ihre Geschichte und sagte zu ihm: „Du verlässt uns? Gut! Wir haben viel zu bereden.“
    Knoll stapfte um den Tisch herum zur Tür. Bei jedem Schritt klapperten seine gebogenen Krallen auf dem Küchenboden. Dann fiel die Tür hinter ihm zu. Als seine Schritte verklungen waren, sagte Opa Elders: „Nun sind also auch die letzten Zweifel ausgeräumt, was?“
    „Und was heißt das jetzt, Großvater? Muss ich das Flache Land verlassen und nach Hornburg gehen. Auch gegen meinen Willen?“
    „Du musst nicht weggehen, wenn du nicht willst“, sagte Rina entschieden.
    „Danke. Du bist ein Schatz.“
    „Ich weiß“, erwiderte sie ernst.
    Alep sah sich um. Bak stocherte gedankenverloren in seinen Zähnen. Velde schob seinen Stuhl nach hinten und erhob sich.
    „Ich schaue nach dem Hahn“, erklärte er. „Kommst du, Rina?“ Er hielt seiner Tochter eine Hand entgegen.
    „Ich gehe in meinen Gemüsegarten und behebe die Schäden der vergangenen Nacht“, sagte Mutter Elders seufzend.
    „Warte“, rief Bak, „ich komme mit. Vielleicht kann ich dir helfen.“ Er schob sich einen letzten Kanten Brot in den Mund und öffnete seiner Mutter die Tür.
    „Und du?“, wandte Großmutter sich fragend an Alep.
    „Ich werde einen Spaziergang machen. Einen langen.“
    Opa Elders sah auf. „Willst du nicht mit mir üben?“, fragte er erstaunt. „Übermorgen ist der Wettkampf. Wenn du gegen deinen Vater gewinnen willst, musst du dich anstrengen. Ein bisschen Bewegung an der frischen Luft
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