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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee
Autoren: Rita Hausen
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hätte ebenso gut der Salon einer Adligen sein können. Das war kein Hurenzimmer, wie er es sonst kannte. Sie half ihm nicht aus seiner Verlegenheit und bot ihm erneut eine Tasse Tee an.
    Sie hatte ein knappes Reitkleid an, und er schaute ihr auf die Brüste. Als Seine Majestät immer noch schwieg, dachte sie: ‚Es ist schwer mit diesen Achtzehnjährigen, sie sind lüstern, haben aber gleichzeitig ein schlechtes Gewissen .′ Sie saß da und lächelte nicht einmal. Dann erhob sie sich entschlossen, ging quer durch den Raum und klinkte mit kurzer Bewegung eine der Türen auf. Dort befand sich der Schlafraum. Christian folgte ihr und lehnte sich an den Türrahmen.
    „Pflegen Monseigneur dabei den Rock anzubehalten?“, fragte sie kühl. Geschmeidig öffnete sie die vielen Knöpfe ihrer Kleidung und glitt aus ihrer Unterwäsche. Sie legte sich nackt aufs Bett und sagte: „Nun kommen Sie schon.“ Christian starrte auf ihre üppigen weiblichen Formen, ging langsam zum Bett und entkleidete sich.
    Sie wurde ihm unentbehrlich. Sie ritt neben ihm auf der Jagd, sie saß in seinem Wagen und in seiner Loge im Theater. Der Hof war schockiert, auch das Volk empfand es als skandalös. Aber Christian wünschte sich, dass es nie enden würde. Die KöniginWitwe Juliane wandte sich voll moralischer Empörung an Bernstorff und forderte ihn auf, diesem Skandal ein Ende zu machen. So wurde Katherine eines Abends von vier Polizisten aus ihrer Wohnung geholt. Sie zerrten sie gewaltsam zu einem geschlossenen Wagen und brachten sie heimlich aus Kopenhagen weg. Danach verfiel Christian zuerst in Apathie, dann entlud sich seine abgrundtiefe Traurigkeit in Wutausbrüchen, in denen er Gegenstände aus dem geschlossenen Fenster in den Schlosshof warf. Schließlich wanderte er verzweifelt durch Kopenhagen, um Katherine zu suchen.
    Was Brandt ihm berichtete, ließ Struensee sehr nachdenklich werden. Seine Gedanken kreisten häufig um den jungen König, während seine Kutsche mit knarrenden Rädern über einsame Wege durch Holstein rumpelte, und er seine Patienten auf dem Lande besuchte. Da erreichte ihn die Nachricht, dass Christian eine Europareise antreten wolle. Da man bei Hofe inzwischen überzeugt war, dass der junge Monarch geistig nicht ganz gesund sei, war man auf der Suche nach einem geeigneten Arzt, der ihn begleiten sollte. Mehrere ranghohe Personen, die von Struensee geheilt worden waren, empfahlen ihn bei Hofe und mit der Billigung von Bernstorff und Holck wurde er schließlich zum Reisearzt des dänischen Königs bestellt.
    Am 6. Juni 1768 traf Christian mit seinem Gefolge in Ahrensberg ein, einem Renaissanceschloss, das ehemals der Familie derer von Rantzau gehört hatte. Seit 1759 jedoch besaß es der stinkreiche Finanzier Schimmelmann, der nun die Reise des Königs durch einen großzügigen Kredit ermöglichte. Noch am gleichen Tag wurde der junge Physikus von Altona dem König als sein Reisearzt vorgestellt.
    Der König war sehr blond, mit schmalen Schultern, fliehender Stirn und einem kleinen Mund. Ach, was für ein zartes, fast kindliches Bürschchen, dachte Struensee. Ängstlicher, zaghafter Blick, schlaffe weiße Hand, die sich ihm entgegen streckte. Struensee beugte sich tief über diese Hand, und als er wieder aufblickte, war der Blick des Königs voller Neugier auf ihn gerichtet. Als man die Reise fortsetzte, bestand das königliche Gefolge aus nicht weniger als 56 Personen, zu denen der Staatsminister von Bernstorff, der Oberhofmarschall Friedrich von Moltke, der Hofmarschall Graf Holck, der Schatzmeister Freiherr von Schimmelmann und viele andere hochgestellte Herren gehörten.
    Struensee teilte die Reisekutsche mit Bernstorffs Sekretär, dem Legationsrat Sturz. Er stellte fest, dass er es mit ihm gut getroffen hatte, denn Sturz war geistreich und unterhaltsam. Während der Reise erfuhr Struensee manches Detail über Christians Benehmen und ihm wurde bald klar, dass es sich nicht um bloße Launenhaftigkeit oder jugendlichen Übermut handelte. Es überraschte ihn, als er eines Tages entdeckte, dass sich Christian für die Werke und das Denken Voltaires interessierte. Er nutzte jede Gelegenheit, sich mit dem König darüber zu unterhalten.
    Auf der Überfahrt von Southhampton nach Le Havre war Struensee erstmals wirklich als Arzt gefragt. Die Wellen des Kanals schüttelten das Schiff und Christian lag in seiner Kabine im Heck des Schiffes auf einem breiten Diwan alle viere von sich gestreckt. Kalte Schweißtropfen rannen
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