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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee
Autoren: Rita Hausen
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nicht in die Stadt.“
    Das war geradezu revolutionär und entsprach genau den Vorstellungen Struensees. Fortan war er davon überzeugt, dass er durch und mit Rantzau seine Reformpläne verwirklichen würde.
    Über diesem Gedanken schlief er gegen Morgen wieder ein. Am nächsten Tag entschied Struensee: Die Pressefreiheit wird nicht aufgehoben. Aber niemand sollte mehr seine Giftpfeile anonym abschießen dürfen. Jeder sollte mit seinem Namen zu dem stehen, was er veröffentlicht. Es ging darum, den Missbrauch der Pressefreiheit einzudämmen und den Kern zu bewahren. Doch die höhnischen Pamphlete und giftigen Angriffe hörten nicht auf. Als Nächstes versuchte er den zweiten Rat Falckenskiolds umzusetzen. Die berittene Garde war seinem Sparprogramm zum Opfer gefallen, doch nun stellte er sich auf Anraten seines Freundes aus verschiedenen Regimentern seine eigene Garde zusammen.
    Er befahl aus Seeland Dragoner unter dem Kommandanten Eickstädt herbei. Diese Truppen lagerten nun in der Nähe von Hirschholm und Frederiksborg. Die Gegner sahen sich in ihrem Verdacht bestätigt: Hier wurden letzte Vorbereitungen für Struensees großen Staatsstreich getroffen.
    Graf Rantzau in seinem geschmackvoll eingerichteten Palais in der Nähe von Christiansborg war äußerst verstimmt. Er hatte nicht die Rolle inne, die er sich erträumt und die Struensee ihm schuldig gewesen wäre. Er sollte nun sogar nach Schweden abgeschoben werden. Mehr noch als die fortwährenden Gichtanfälle quälten ihn die ständigen Mahnungen seiner Gläubiger. Er wusste nicht, wie er seinen riesigen Schuldenberg loswerden sollte. Die Hoffnung, dass sein Freund Struensee ihm helfend unter die Arme greifen würde, hatte ihn getrogen. Im Gegenteil: Struensee hatte erlassen, dass auch adlige Schuldner gerichtlich zur Rückzahlung ihrer Schulden gezwungen werden konnten. Seine Lage war verzweifelt, sollte er etwa noch im Schuldturm landen? Er fühlte sich gekränkt, schließlich war er es gewesen, dem Struensee seinen steilen Aufstieg verdankte.
    W arum war der Hof nicht in Kopenhagen? Was machte er jetzt noch auf Frederiksborg? Eickstätt hatte ihn darüber informiert, dass Struensee sich eine eigene Garde zusammenstellte, kurz nachdem er die berittene Leibgarde des Königs aufgelöst hatte. Was sollte das bedeuten? Er grübelte über eine Änderung seiner Lage nach und verfiel schließlich auf den Gedanken, sich mit anderen Unzufriedenen zusammenzutun, um Struensee zu stürzen. Der Unmut und die Empörung des Volkes würden den besten Hintergrund dazu bieten. Irgendjemand hatte das Gerücht ausgestreut, dass der Minister den König entmachten und seine Geliebte, die Königin, als Regentin einsetzen wollte. Die Stimmung für einen Umsturz konnte nicht besser sein. Aber das Ganze musste gut vorbereitet werden und er brauchte verlässliche Mitstreiter.
    Struensee befiel in diesen Tagen eine lähmende Resignation. Die Rastlosigkeit, mit der er zuvor seine Pläne verwirklicht hatte, ging über in ein verhängnisvolles Zögern. Es lag einfach nicht in seinem Naturell, seine Macht auszuspielen. Stattdessen geriet er ins Grübeln und verlor sich in Erinnerungen an seine Kindheit.

2. Kindheit in Halle
    Struensee verstand sich als Materialist. Er zog keinerlei religiöse Konsequenzen aus der Vorstellung der Vergänglichkeit. Das lag daran, dass er in der Jugend endlos mit der Bibel, Luthers Katechismus und den frommen Schriften von Francke geplagt worden war. Sein Vater, Prediger an der Ulrichskirche in Halle, hatte ihm die Erbsünde und ihre Folgen sowie die Möglichkeit ihrer Aufhebung so um die Ohren geschlagen, dass er für alle Zeit darauf verzichten konnte. Andererseits hatte man ihn großartige Vorstellungen des Menschen gelehrt, doch dabei war immer nur von der Seele die Rede gewesen.
    Sie war nicht ein flüchtiger Hauch, sondern die Substanz, um die sich das ganze Dasein drehte. Dem Körper war nur eine unbedeutende Rolle zugefallen, er wurde als unbeständig und wertlos dargestellt. Wie der Körper war die Seele gleichfalls ständig bedroht, von Sünden befleckt zu werden und bildete dann in Gottes Augen ein Ärgernis, das auch im Jenseits noch geahndet wurde. Als Kind hatte er beständig unter der Angst um das ewige Leben gelitten und oftmals wegen der bedrückenden Bilder, die er aus der Bibel kannte, nicht schlafen können. Schreckliche Vorstellungen von der Strafe, der Rache Gottes hatten ihn begleitet.
    Da war die Rede von einer vernichtenden Flut,
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