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Der Fall des Lemming

Der Fall des Lemming

Titel: Der Fall des Lemming
Autoren: Stefan Slupetzky
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Meisterleistung …», beginnt Cerny, kaum dass der Lemming in angemessenem Abstand zu seinem ehemaligen Partner Platz genommen hat. «Haben S’ eigentlich irgendwas zu Ihrer Verteidigung …»
    Der Lemming schweigt lange. Sieht dann Cerny an und murmelt: «Sie wissen, es war ein gelber …»
    «Ich weiß? Ich? Haben S’ eigentlich eine Ahnung, was das bedeutet? Was Sie da ang’richtet haben? Das kann uns alle Kopf und Kragen kosten, die ganze Firma, wie’s da ist seit meinem Großvater selig. Mein Gott, die Nachred, die Nachred! Wenn das in die Zeitungen kommt, könn’ma zusperren, dann ist’s nix mehr mit schnell, korrekt und vor allem diskret, dann ist’s aus mit Cerny und Cerny, verstehn S’, aus und vorbei!»
    Der Alte hat sich halb vom Sitz erhoben und hämmert mit geballter Faust auf die Tischplatte ein, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Nun atmet er tief durch, fährt sich mit einer Geste mühsam verhaltenen Zorns durchs schüttere Haar und lässt sich mit all der ihm zur Verfügung stehenden Theatralik wieder in seinen Sessel fallen, nur um sogleich mit gesenkter, zu einem drohenden Vibrato verdichteter Stimme weiterzusprechen:
    «Also, Wallisch, jetzt passen S’ einmal auf. Und passen S’ mir gut auf … Der Herr Kollege von der – also der Herr Gruppen-, pardon, der Herr Bezirksinspektor hat uns ein Angebot gemacht. Das werden wir annehmen, verstehen S’, Wallisch? Schreiben Sie sich’s auf: an-neh-men. Der Herr Bezirksinspektor meint’s nämlich gut mit uns, der rettet uns das G’schäft und Ihnen, lieber Wallisch, den Job. Der Herr Bezirksinspektor ist bereit, uns aus der Presse draußen zu lassen, nicht wahr?»
    Krotznig zieht huldvoll die Brauen hoch und deutet ein Nicken an. Der Drecksack, denkt der Lemming, ist also zum Bezirksinspektor befördert worden. Und er wird nicht eher ruhen, bis er sich Oberinspektor nennen darf …
    «Also draußen aus der Presse. Kein Wort über Cerny und Cerny, kein Wort über Ihren Dilettantismus, Wallisch, kein Wort darüber, dass das unser Auftrag war mit dem Grinzinger. Verstehen S’ das?»
    Dumm ist er nicht, der Lemming. Er ahnt sehr wohl, worum es Cerny und vor allem Krotznig geht. Trotzdem, und wenn es auch nur eine winzige Bosheit ist: eine kleine Genugtuung. Er will es aus dem Mund des Alten hören, er will ihm die Schmach nicht ersparen, es auszusprechen.
    «Aber … Warum?»
    Cerny räuspert sich, wirft einen Seitenblick auf Krotznig und legt betont ruhig die Fingerkuppen aneinander.
    «Manchmal, lieber Wallisch, muss man sich halt entscheiden zwischen, wie soll ich sagen, zwischen … Stolz und Überleben. Ein Dickschädel hat noch niemanden weitergebracht. Der Herr Bezirksinspektor stellt nur eine Bedingung, eine einzige, und an die werden wir uns gefälligst halten, Wallisch. Keine weiteren Nachforschungen unsererseits, keine Ermittlungen mehr in der Angelegenheit, verstehen S’? Der Grinzingerfall g’hört dem Herrn Bezirksinspektor, und für uns ist die Sach erledigt.»
    Krotznig grinst und lässt ein zufriedenes Grunzen hören. Aber der Lemming gibt sich so leicht nicht geschlagen.
    «Wir lassen einen Mordfall sausen? Für den Herrn da drüben? Unseren eigenen Auftrag?»
    «Es war Ihr Auftrag, Wallisch», stößt Cerny zwischen den Zähnen hervor, «Ihrer ganz allein! Von mir aus hätten S’ gleich heut den Hut nehmen können, Sie … Schmalspur-Sherlock! Ist Ihnen das eigentlich klar? Ich behalt Sie nur, damit S’ den echten Profis nicht noch weiter ins Handwerk pfuschen! Berufsethos hin oder her, es ist halt jetzt die einzige Chance, den Schaden zu begrenzen! Der Herr Bezirksinspektor kann in Ruh seine Arbeit machen, ich kann in Ruh mein G’schäft weiterführen, und Sie, Wallisch, kriegen ein frisches Kuvert. Ehebruch, wie gehabt. Für die Detektei Cerny und Cerny hat’s einen Fall Grinzinger nie gegeben …»
    Stille breitet sich aus. Krotznig spitzt die Lippen und betrachtet sichtlich amüsiert den alten Cerny. Dessen Augen ruhen auf dem Lemming, gespannt und vorwurfs- und erwartungsvoll zugleich. Der aber starrt zu Boden. Hebt dann den Kopf, sieht Cerny ins Gesicht. Und lächelt.
    Wie seltsam. Wie absurd.
    Es fühlt sich so gut an, wenn endlich alles verloren ist. Ein plötzlicher Riss im ewigen düsteren Teufelskreis, erlösend wie der finale Kurzschluss im Herzschrittmacher des Komapatienten oder wie der flügge gewordene Dachziegel auf dem Schädel des Depressiven.
    Vielleicht, denkt der Lemming, muss man
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