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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3
Autoren: J. D. Salinger
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alten Thomas Hardy. Eustacia Vye gefällt nur
    sehr gut.
Ich setzte also meine neue Mütze auf und fing an, Out of Afrika zu lesen. Ich
    hatte das Buch schon gelesen, aber ich wollte ein paar Stellen noch einmal lesen. Ich hatte
    erst ungefähr drei Seiten hinter mir, als ich jemand durch die Vorhänge vom Duschraum kommen
    hörte. Auch ohne hinzusehen, wußte ich sofort, wer es war. Es war Robert Ackley, der im Zimmer
    neben uns wohnte. In unserem Flügel war immer zwischen zwei Zimmern ein Duschraum, und ungefähr
    fünfundachtzigmal im Tag platzte dieser Ackley herein. Außer mir war er wohl der einzige von
    allen in unserem Flügel, der nicht beim Fußballmatch war. Er machte fast nie bei etwas mit. Ein
    komischer Kerl. Er war ein Senior und war seit vier Jahren in Pencey, aber niemand nannte ihn
    anders als »Ackley«. Nicht einmal Herb Gale, der das Zimmer mit ihm teilte, nannte ihn »Bob«
    oder auch nur »Ack«. Falls er jemals heiratet, nennt ihn vermutlich auch seine eigene Frau
    »Ackley«. Er war sehr groß - ungefähr 1,93 -, mit hängenden Schultern und schlechten Zähnen. In
    der ganzen Zeit dort habe ich nie gesehen, daß er sich die Zähne geputzt hätte. Sie sahen immer
    moosig und gräßlich aus, und es konnte einem schlecht werden, wenn er beim Essen den ganzen
    Mund voll Kartoffelbrei oder Erbsen oder was weiß ich hatte. Außerdem war er mit Pickeln
    bedeckt.
Nicht nur auf der Stirn oder auf dem Kinn wie die meisten andern, sondern über das ganze
    Gesicht. Und nicht nur das, er war überhaupt ein ekelhafter Charakter, irgendwie
    schmierig.
Ich schwärmte nicht gerade für ihn, ehrlich gesagt.
Ich fühlte, daß er hinter meinem Stuhl stand und herumschaute, ob Stradlater da sei. Er konnte
    Stradlater nicht ausstehen und kam nie ins Zimmer, wenn Stradlater da war. Er konnte so
    ziemlich niemand ausstehen.
Dann kam er näher. »Hi«, sagte er. Er sagte das immer in einem Ton, als ob er furchtbar
    gelangweilt oder furchtbar müde wäre. Er wollte nie, daß man dächte, er statte einen Besuch
    ab.
Man sollte meinen, er sei nur aus Versehen hereingekommen, um Himmels willen.
»Hi«, sagte ich, ohne von meinem Buch aufzusehen. Bei einem solchen Kerl wie Ackley war man
    verloren, wenn man vom Buch aufsah. Man war ohnedies verloren, aber wenigstens nicht so von
    Anfang an, wenn man sich tot stellte.
Er schlenderte langsam im Zimmer herum und so. Das machte er jedesmal so und befingerte dabei
    alle möglichen persönlichen Sachen auf meinem Tisch oder auf der Kommode. Das machte er immer:
    die persönlichsten Sachen anfassen und beglotzen.
Junge, der konnte einem manchmal ziemlich auf die Nerven gehen. »Wie ging's mit dem Fechten?«
    fragte er. Er wollte einfach meinen Frieden stören. Das Fechten war ihm ganz gleichgültig.
    »Haben wir gewonnen, oder was?« fragte er.
»Niemand hat gewonnen«, sagte ich, ohne aufzusehen.
»Was?« fragte er. Er zwang einen immer, alles zweimal zu sagen.
»Niemand hat gewonnen«, sagte ich. Dabei schaute ich schnell hin, um zu sehen, an was er auf
    meiner Kommode herummachte. Er glotzte das Bild von dem Mädchen an, mit dem ich in New York oft
    ausgegangen war, Sally Hayes. Seit ich das Bild habe, muß er es mindestens fünftausendmal in
    die Hand genommen und angeglotzt haben. Und jedesmal stellte er es dann an den falschen Ort
    zurück. Er machte das absichtlich.
Das merkte man genau.
»Niemand hat gewonnen!« sagte er. »Wieso?«
»Ich habe die verdammten Floretts und alles übrige in der Untergrundbahn liegenlassen.« Ich
    schaute immer noch in mein Buch.
»In der Untergrundbahn, Herr im Himmel! Verloren sagst du?«
»Wir waren im falschen Zug. Ich mußte die ganze Zeit aufstehn und auf dem verfluchten Stadtplan
    an der Wand nachsehn.«
Er kam zu mir herüber und stellte sich mir ins Licht. »He«, sagte ich. »Seit du da bist, lese
    ich schon zum zwanzigstenmal den gleichen Satz.«
Jeder andere hätte diesen verdammten Wink verstanden. Aber Ackley durchaus nicht. »Meinst du,
    du mußt die Sachen ersetzen?« fragte er.
»Weiß ich nicht, ist mir auch gleichgültig. Wie wär's, wenn du dich setzen würdest oder so,
    Kleiner? Du stehst mir verdammt im Licht.« Er hörte nicht gern, wenn ich Kleiner sagte.
    Er behauptete immer, ich sei ein verdammtes Kind, weil ich sechzehn war und er achtzehn. Es
    machte ihn verrückt, wenn ich ihn Kleiner nannte.
Er blieb ruhig stehen. Das sah ihm ähnlich, keinen Schritt weiter zu gehen, wenn man ihm sagte,
    er stehe einem im
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